Freiraum Mensch: Eine Stadt auf dem Weg – Uta Atzpodien und Florian Schmitz

Ähnlich wie in einem Körper­kreis­lauf pulsie­ren die wirt­schaft­li­chen Adern in der Stadt Wupper­tal. Im alltäg­li­chen Leben begeg­nen sich so Menschen, Unter­neh­men und Orte als Akteu­re. Doch wohin geht die ökono­mi­sche Reise? Schon histo­risch war Wupper­tal eine fragen­de, auch hinter­fra­gen­de Stadt – allein das Engels­haus spricht für sich. Der kriti­sche Blick auf Wachs­tum, Geld, sozia­le Ungleich­heit, Krisen und paral­lel das Suchen nach neuen, gemein­schaft­li­chen Perspek­ti­ven prägen das städ­ti­sche Mobile. Ein neues Denken und Handeln wird immer relevanter.
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Wohin geht die Reise? Wir besu­chen zunächst einige etablier­te Akteu­re im wirt­schaft­li­chen Gefüge: den Verein wupper­talak­tiv!, die IHK Wupper­tal-Solin­gen-Remscheid, die Neue Effi­zi­enz, die GEPA, die Firmen­grup­pe Küpper, den Verein proviel und den Lern­ort in der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te. Steht allein das Geld im Mittel­punkt? Wie viele andere Städte ist Wupper­tal finan­zi­ell gebeu­telt. Was die Metro­po­le im Bergi­schen Land aller­dings auszeich­net ist das Enga­ge­ment ihrer Menschen. Sie sind aktiv und brin­gen viel in Bewe­gung. Ihr Wirken flackert über­all auf. Das wird auch über die Gren­zen der Stadt hinaus immer mehr wahr­ge­nom­men. Mit einem einfa­chen, fast kind­li­chen Blick bewe­gen wir uns forschend durch Wupper­tal: Eine Stadt im Wandel und selbst auf der Reise zu dem, was sie ausmacht.
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In Wupper­tal wie auf der ganzen Welt gibt es viele und immer wieder neue Heraus­for­de­run­gen. Wir alle leben in einer brisan­ten gesell­schaft­li­chen, ökono­mi­schen und ökolo­gi­schen Situa­ti­on. Umso wich­ti­ger sind die Lösun­gen, die jetzt gefun­den werden müssen – ganz beson­ders für die nach­wach­sen­den Gene­ra­tio­nen. Die Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer sehen sich mit einem Spagat zwischen Gewinn und Haltung konfron­tiert. Der Erfolg von nach­hal­ti­gem Wirt­schaf­ten zeigt sich manch­mal erst mittel- oder gar lang­fris­tig. Und nicht immer ist er in Zahlen messbar.
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Dennoch gibt es viele Unter­neh­mer in Wupper­tal, die Konzep­te aufgrei­fen oder selbst entwi­ckeln. Die Stadt sieht sich selbst als Trans­for­ma­ti­ons­stadt, in der ein bewuss­ter Umgang mit Verän­de­rung eine große Rolle spielt. Unter­neh­men verbin­den Menschen und Wirt­schaft nicht nur als Arbeit­ge­ber, sondern sind auch ein Motor der Stadt. Was liegt den Menschen am Herzen, um sinn­voll die gemein­sa­me Zukunft zu gestal­ten? So viel­sei­tig die Blicke von den Hängen ins Tal sind, so inspi­rie­rend sind die Ansät­ze der Mache­rin­nen und Macher.
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Aus-Tausch macht aktiv
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Die erste Stati­on der Reise liegt fast 200 Meter höher als die Talsoh­le der Stadt. Dort thront das W‑Tec über Wupper­tal. Näher am Himmel kann man sich im Stadt­teil Elber­feld kaum aufhal­ten. Von der Lise-Meit­ner-Straße schaut man sogar noch auf die Bergi­sche Univer­si­tät hinab. Das Tech­no­lo­gie­zen­trum W‑Tec hat sich den Slogan „Ideen mit Zukunft“ gege­ben. Mehr als 200 Unter­neh­men sind hier zuhau­se. Und mitten­drin der Verein wupper­talak­tiv!, der seit 20 Jahren zwischen Privat­per­so­nen, Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven netzwerkt.
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Geschäfts­füh­re­rin Antje Lieser sitzt in ihrem Büro, das Wetter ist gut, aber weil drau­ßen perma­nent der Brun­nen vor dem Haus plät­schert, hört es sich an, als würde es regnen. Damit kommen Wupper­ta­ler klar, und Antje Lieser weiß, womit die Wupper­ta­ler Unter­neh­mer sonst noch so zurecht­kom­men müssen. „Die Werte verschie­ben sich. Arbeit­neh­mer messen nicht mehr nur in Euro, sondern auch in Mitein­an­der, Respekt und Frei­zeit. Es nimmt deut­lich zu, dass junge Mitar­bei­ter abwä­gen. Das passiert auch bei Arbeit­ge­bern, die viel Geld bezah­len“, sagt Lieser. Enga­gier­te, quali­fi­zier­te Mitar­bei­te­rin­nen und Mitar­bei­ter könne ein Unter­neh­men nur dann über­zeu­gen und halten, wenn es einen gesun­den Mix anbie­te. Geld allein reiche nicht aus: „Das hat sich total verschoben“.
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Einen zentra­len Punkt hat wupper­talak­tiv! in der Fami­li­en­freund­lich­keit ausge­macht. Flexi­ble Arbeits­zei­ten seien ebenso gefragt wie die zuneh­men­de Kinder­be­treu­ung durch die Unter­neh­men. Ein Beispiel sei die eigene Kinder­ta­ges­stät­te des Versi­che­rers Barme­nia. Seit Okto­ber 2014 werden 24 „Barmi­nis“ in der Betriebs­ki­ta aufge­nom­men, damit Mutter und Vater am Arbeits­platz stress­frei­er sind. Am ande­ren Ende der Alters­ska­la stehe die Pflege der eige­nen Eltern. „Auf Verständ­nis des Arbeit­ge­bers zu tref­fen, ist für viele mehr wert als ein paar Euro mehr in der Tasche zu haben“, sagt Antje Lieser.
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Wupper­tal sei in den letz­ten zehn Jahren im Wandel. „Unsere Stadt erfährt eine Trans­for­ma­ti­on, die in der ganzen Repu­blik wahr­ge­nom­men wird. Wir lassen uns nicht schnell die Butter vom Brot nehmen und hoffen nicht auf irgend­wel­che Förder­mit­tel. Es gibt viele beson­de­re Menschen, die das leben. Die Wupper­ta­ler machen einfach was – das finde ich bemer­kens­wert, und das wollen wir bündeln und unter­stüt­zen.“ Das Enga­ge­ment strah­le auch nach außen. Wupper­tal wächst. 355.300 Einwoh­ner wurden Anfang 2016 gezählt, 5000 mehr als im Jahr zuvor. Der freie Fall der „ster­ben­den Stadt“ ist vorerst gestoppt. Auch intern will der Verein sich trans­for­mie­ren. Dazu zählt, dass mehr Mitglie­der mit Zuwan­de­rungs­ge­schich­te gewon­nen werden sollen.
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Fort­schritt nach Rückschritt
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Von den Höhen geht es hinab ins Tal. Am Island­ufer hat Thomas Wäng­ler sein Büro, in einem denk­mal­ge­schütz­ten Verwal­tungs­bau der 20er Jahre. Der Pres­se­spre­cher der Indus­trie- und Handels­kam­mer Wupper­tal-Solin­gen-Remscheid (IHK) weiß, dass es wich­tig ist, wirt­schaft­li­che Gedan­ken immer wieder auf die Basis herun­ter zu brechen. Erst dann gehe es in die Details, wie ein Unter­neh­mer bezahlt und wie er sich um die Mitar­bei­ter kümmert.
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„Der Sinn von Unter­neh­men ist es sicher­lich erst einmal, Gewinn zu erwirt­schaf­ten – das ist der Ansporn, ein Unter­neh­men über­haupt zu grün­den. Durch den Gewinn haben andere Menschen die Möglich­keit, einen Arbeits­platz zu bekom­men, Geld zu verdie­nen und sich selbst zu verwirk­li­chen. Dieses Grund­prin­zip sollte man sich immer vor Augen führen“, sagt Wäng­ler. Das Wort Profit sei zwar heut­zu­ta­ge häufig „nega­tiv besetzt“, so Wäng­ler, aber darauf sei Wirt­schaft schließ­lich zu grün­den, dass Menschen davon profitieren.
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Werte und Ethik seien bei den Unter­neh­men im Bergi­schen Städ­te­drei­eck immer wich­tig gewe­sen. „Ich weiß mit welcher wahn­sin­ni­gen Verant­wor­tung und auch Menschen­freund­lich­keit viele unse­rer Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer agie­ren. Das ist nichts Neues. Der Fokus hat sich in der letz­ten Zeit aber viel mehr darauf gerich­tet“, sagt Wäng­ler. Ein Beispiel sei die Verein­bar­keit von Fami­lie und Beruf. Die IHK bezeich­net die Fami­lie als „Erfolgs­fak­tor“. Seit gut zehn Jahren gibt es einen Arbeits­kreis, der unter ande­rem einen Preis auslobt für das fami­li­en­freund­lichs­te Unternehmen.
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Gesell­schaft­li­che Entwick­lun­gen kommen bei den Unter­neh­men an; zum Beispiel, dass auch Männer sich um die Fami­lie kümmern und eine ausge­gli­che­ne Work-Life-Balan­ce für viele immer wich­ti­ger wird. Das gelte übri­gens auch für die Firmen­chefs und ‑chefin­nen selbst. Mitar­bei­ter­bin­dung ist eben­falls ein großes Thema, um die Zufrie­den­heit zu erhö­hen, auch in Wupper­tal. „Da sind die bergi­schen Unter­neh­men, gerade die Mittel­ständ­ler, ziem­lich führend. Die wissen, wie sie ihre Mitar­bei­ter binden können. Die machen das aber auch frei­wil­lig und nicht mit Kalkül.“
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Wäng­ler zu Wupper­tal: „Wenn Sie mich vor zehn Jahren gefragt hätten, ob sich in der Stadt etwas bewegt, hätte ich Nein gesagt. Heute sage ich: Natür­lich. Die Stadt verän­dert sich stän­dig, allei­ne durch die großen Baupro­jek­te. Nach länge­rem Still­stand, wenn nicht sogar Rück­schritt, tut sich etwas in der Stadt.“
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Mit weni­ger mehr
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Still­stand erlebt man an der Theke des Café Milias selten. In dem Lokal vor der City­kir­che in Elber­felds Fußgän­ger­zo­ne tummeln sich studen­ti­sches Leben, Ideen und Denker. Ein guter Ort, um Jochen Stie­bel von der „Neuen Effi­zi­enz“ zu tref­fen. Sie führt Wirt­schaft, Wissen­schaft und Kommu­nen zusam­men. Sie zeigen Kreis­läu­fe auf. Sie vermit­teln. Sie entwi­ckeln und steu­ern Konzep­te rund um die Themen Ressour­cen und Ener­gie. Gemein­sam, lokal verwur­zelt und inno­va­tiv wollen sie neue Wege aufwei­sen. Bei dem Slogan „Mehr mit weni­ger“ geht es um die Reduk­ti­on, aus der ein Mehr­wert entsteht. Es ist ein Neu- und Andersdenken. … 

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