Digitales Zentralbankgeld – Wann wird es kommen? – Andreas Bangemann
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Die Gestaltung eines Übergangs von der „alten“ Welt des Geldes ins digitale Zeitalter ist eine entscheidende Phase mit vielen Ungewissheiten. Doch der Preis einer Zeitspanne voller abenteuerlicher Vagheit mit Hindernissen und Gefahren wird für ein nachhaltig zukunftsfähiges Geldsystem offenkundig bezahlt werden müssen.
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Wie eine zeitlich nicht einschätzbare Parallelität bisherigen Zentralbankgeldes und CBDC organisiert werden kann, ist völlig offen. Alles ist denkbar, auch der Erhalt von Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel, selbst wenn es niemand mehr im täglichen Zahlungsverkehr nutzen sollte.
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CBDC – Central Bank Digital Currencies
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Was ist digitales Zentralbankgeld?
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Im Grunde gibt es digitales Zentralbankgeld bereits seit langem. Es handelt sich dabei um Sichtguthaben, die ausschließlich Geschäftsbanken und bestimmte Finanzinstitute bei der Zentralbank führen (müssen). Daneben gehören die physisch ausgegebenen Geldscheine zum Zentralbankgeld. Darauf haben auch alle Privaten und Unternehmen nach Bedarf Zugriff (über das Bankensystem). Die neu einzuführende digitale Geldform zeichnet sich demnach dadurch aus, dass Jedermann es nachfragen kann, nicht nur Banken. Es wird von offiziellen Institutionen eingeführt (Regierungen, Zentralbanken) und soll wie das bisher einzige gesetzliche Zahlungsmittel Bargeld fungieren. Allerdings können einzelne Eigenschaften nicht erhalten bleiben, die traditionelles Geld ausmachen.
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Die zentrale Herausgeberschaft unterscheidet es von so genannten Kryptowährungen, die keiner behördlichen Kontrolle unterliegen.
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Drei realisierbare Varianten von CBDC
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Es gibt verschiedene Vorschläge, wie CBDC umgesetzt und genutzt werden kann:
1. Zugang für jedermann (CBDC, kontenbasiert): Individuelle Konten werden bei der Zentralbank geführt. Transfers unter Marktteilnehmern würden direkt über die Zentralbank laufen. Nach Überprüfung des Anspruchs mittels eines Zentralregisters erfolgt die Transaktion zwischen diesen Konten.
2. Zugang für jedermann („Retail CBDC“, tokenbasiert): Die Zentralbank gibt digitale Token an die Öffentlichkeit aus. Der Transfer dieser Token ermöglichte dem Bargeld vergleichbare Transaktionen. Diese CBDC-Variante würde unmittelbare und anonyme Abrechnungen erlauben und damit wie ein dezentrales System funktionieren können.
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3. Institutioneller Zugang („Wholesale CBDC“, tokenbasiert): Auf Banken und andere Finanzinstitute begrenzter Zugang, konzipiert für den institutionellen Zahlungsverkehr sowie den Interbankenmarkt. Dieser Ansatz käme dem aktuellen kontenbasierten Bankensystem am nächsten, bei dem Geschäftsbanken ihre Konten bei Zentralbanken halten. Ähnlich wie heute beim Bargeld gelangen die digitalen Token nur über Geschäftsbanken zu Privathaushalten und Unternehmen. In der Folge kann das so ausgegebene Geld wie Münzen und Scheine für Transaktionen und zur Wertaufbewahrung genutzt werden.
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Fragen, die es im Zusammenhang mit CBDC zu beantworten gilt:
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Was wird aus dem auf einem einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel (dem Bargeld) basierenden System heutigen Zuschnitts rein rechtlich?
Soll digitales Zentralbankgeld zinstragend sein? (Dabei sind sowohl positive wie negative Zinsen gemeint)
Soll es bei Zahlungsvorgängen mit CBDC Höchstgrenzen geben?
Sind das Buchgeld bei Banken und digitales Zentralbankgeld in beliebiger Höhe 1:1 konvertierbar oder gibt es Höchstgrenzen und bildet sich evtl. ein Wechselkurs?
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Inwieweit sind anonyme Zahlungen mit „Mobile-Apps“ oder Prepaid-Karten möglich?
Braucht man ein Bankkonto oder muss Kunde bei einem Unternehmen sein, um am Zahlungsverkehr teilnehmen zu können?
Wenn ein offener Zugang für alle möglich ist (sei es direkt über die Zentralbank oder indirekt über die Geschäftsbanken), welche Rolle spielen dann noch die Buchgeldgirokonten im Bankensystem?
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Werden die Intermediäre hinsichtlich der Durchführung bargeldloser Zahlungen überflüssig, weil Guthaben zum CBDC abfließen?
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Welche Zahlungsmittel akzeptieren staatliche Organe zukünftig?
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Welche Folgen hat CBDC für die Einlagensicherung von Buchgeld?
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Steuerungsinstrumente der Zentralbank
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Beim heutigen Bargeld fehlen den Zentralbanken Handhabungen, um festzustellen, wie jener Teil des ausgegebenen Geldes genutzt wird, der nicht für Transaktionen Verwendung findet. Immerhin knapp 90 % aller Eurobanknoten (dem Wert nach) werden gehortet, bzw. sind mit Nutzungszwecken „unterwegs“, die die Deutsche Bundesbank als „unbekannt“ in den bargeldbezogenen Statistiken aufführt. Insbesondere die Scheine mit hohem Nominalwert (500 € und 200 €) tauchen im Wirtschaftsverkehr kaum auf.
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Derzeit stehen die Zentralbanken vor dem Problem, dass eine durchaus erforderliche Zinssenkung für Guthaben tiefer in den negativen Bereich kaum mehr durchführbar ist, da es zu einer verstärkten Flucht in das mit 0 % „rentierende“ Bargeld käme. Die aktuell existierende Gesamtlage führt zu Problemen im Bankensystem, da die Margen der Geschäftsbanken im Spannungsfeld zwischen Kundeneinlagen, Kreditvergaben und Bargeldbereitstellung sinken und die Kostendeckung erschweren. Die Einführung und Erhöhung von Gebühren seitens der Banken verschafft kleine Spielräume, aber die nicht einschränkbare Nachfrage nach Barem bietet allen Wirtschaftsteilnehmern den „sicheren Hafen“ als Alternative, wenn Minuszinsen auf Guthabenkonten überhandnehmen.
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Auf CBDC hätte die Zinspolitik der Zentralbank direkte Auswirkung. Es ließen sich darauf negative Zinsen erheben, sodass ein Ausweichen aus anderen Geldanlagen keine Vorteile brächte. Insoweit es auf eine Beibehaltung des Bargelds als einziges gesetzliches Zahlungsmittel hinausliefe, müssten die gleichen Bedingungen erwogen werden, sprich Bargeld müsste „zinstragend“ werden. Statt von Zinsen kann man dabei auch von Gebühren sprechen, da Geldscheine physisch vorhanden sind und deren Emission und Bereitstellung einer zu erbringenden Leistung entsprechen. Blieben Banknoten ein Mittel, sich jeglicher Zinspolitik zu entziehen, wäre ein zinstragendes CBDC nicht geeignet finanzmarkttechnisch und gesamtwirtschaftlich ggf. für nötig erachtete Negativzinsen wirkungsvoll umzusetzen.
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Diese sich andeutende Zwangslage kommt den Forderungen der Freiwirtschaft und dessen Begründer Silvio Gesell gelegen. Förderlich ist dabei die Notwendigkeit, auch hinsichtlich der Nutzung von Bargeld neue Wege finden zu müssen, wenn man das Tor zu digitalem Zentralbankgeld öffnen will. Die Verfechter freiwirtschaftlicher Theorien leiden seit jeher unter einer wissenschaftlichen Abqualifizierung des Ansinnens der Einführung von Kosten für die Hortung von Bargeld. Den ständigen Erneuerungsprozess von umlaufenden Zahlungsmitteln, der nach einer entsprechenden Reform einsetzen und die Geldmengensteuerung wesentlich vereinfachen würde, diffamierte man verkürzend als „Schwundgeld“. Andererseits verstand es die moderne Forschung auf diesem Gebiet bisher nicht, den tieferen, inneren Wert der Reform klarer zu kommunizieren. Insbesondere, warum es nicht zu einer Entwertung des Geldes durch die Gebühr kommen würde, sondern im Gegenteil zu einer stabilen Währung mit stetigem Umlauf.
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Aktuell stellen Forscher, Experten und Lehrende an Hochschulen zunehmend Gesells Arbeiten in Verbindung zu den Entwicklungen im Gesamtgefüge aus Geldpolitik, Negativzinsen und digitalem Zentralbankgeld.
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Meinungen, Einschätzungen, Stellungnahmen
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Jens Weidmann
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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht bezüglich der Digitalisierung des Geldes die Rolle der Deutschen Bundesbank als eine in aktiver Gestaltung und nicht etwa nur als Beobachter. Das bedeute jedoch nicht, dass man sich in die Entscheidungen von Bürgern einmischen wolle, bei denen es um das Zahlungsverhalten gehe. Man stelle den Bürgern das bereit, was diese verlangen, digitale oder bare Zahlungsmittel. „Wir wollen die Bürger aber nicht in eine bestimmte Richtung drängen“, so Weidmann.
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Er betonte dabei, dass es viele Innovationen im Zahlungsverkehr gäbe, die nicht von Notenbanken, sondern aus der Privatwirtschaft stammten.
Im kürzlich von der EZB veröffentlichten Konsultationspapier zur Einführung eines digitalen Euro gehe es zunächst darum, die Vor- und Nachteile abzuwägen.
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Fazit
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Die Digitalisierung der Finanzwelt sowie des nationalen und internationalen Zahlungsverkehrs schreitet unaufhaltsam voran. Es scheint nicht mehr darum zu gehen ob, sondern wann das erste digitale Zentralbankgeld eingeführt wird. Die Forschungen entwickeln sich weiter. Dabei erweist sich als unabwendbar, dass es zu grundlegenden strukturellen Veränderungen im Geld- und Finanzsystem kommt. Spielräume für einen höheren Grad an Dezentralität werden entstehen. Sicherheitsgefahren sind unvermeidbar und andersartige Formen von Kriminalität beschäftigen die Justiz. Den kaum mehr eine Rolle spielenden Geldfälschern könnte eine Schar von Hackern mit krimineller Energie folgen, die sich weitaus effizienter in der Welt des Geldes Zugriff verschaffen könnten.
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Verlässlichkeit und Vertrauen in eine neue Währungsordnung aufzubauen, dauert Jahre. Gewachsene, demokratisch entwickelte und umgesetzte Strukturen haben in diesem Prozess den Zeitvorteil durch einen in zurückliegenden Jahren gewachsenen Vertrauensvorschuss. Der ließe sich nutzen, damit man nach einer turbulenten Etappe auch wieder in Phasen von Stabilität und Ordnung gelangt. Ein grundlegender Wandel vollzieht sich und es deutet sich eine Zeit der Abenteuer von Ideen an.
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