Digitales Zentralbankgeld – Wann wird es kommen? – Andreas Bangemann

Längst gibt es eine Wett­be­werbs­si­tua­ti­on zur Einfüh­rung digi­ta­ler Landes­wäh­run­gen. In vielen Ländern entwi­ckelt man Konzep­te (z. B. Schwe­den). Mit ersten konkre­ten Praxis­tests (China) wird die Alltags­taug­lich­keit erforscht. Der Hand­lungs­druck für Regie­run­gen und Zentral­ban­ken wird nicht zuletzt durch die Erfol­ge von Kryp­to­wäh­run­gen wie Bitco­in erhöht. Deren dezen­tra­le Entste­hung und großen­teils unkon­trol­lier­ba­re Nutzung wird zu einer wach­sen­den Konkur­renz für zentral emit­tier­te Währun­gen. Die geld­po­li­ti­sche Souve­rä­ni­tät droht zu entglei­ten. Auswir­kun­gen auf den inter­na­tio­na­len Wirt­schafts­ver­kehr und die Domi­nanz von Welt­leit­wäh­run­gen sind beim Wech­sel ins Digi­ta­le unaus­weich­lich und bis zu einem gewis­sen Grad unvorhersehbar.

– - – 

Die Gestal­tung eines Über­gangs von der „alten“ Welt des Geldes ins digi­ta­le Zeit­al­ter ist eine entschei­den­de Phase mit vielen Unge­wiss­hei­ten. Doch der Preis einer Zeit­span­ne voller aben­teu­er­li­cher Vagheit mit Hinder­nis­sen und Gefah­ren wird für ein nach­hal­tig zukunfts­fä­hi­ges Geld­sys­tem offen­kun­dig bezahlt werden müssen.

– - – 

Wie eine zeit­lich nicht einschätz­ba­re Paral­le­li­tät bishe­ri­gen Zentral­bank­gel­des und CBDC orga­ni­siert werden kann, ist völlig offen. Alles ist denk­bar, auch der Erhalt von Bargeld als einzi­ges gesetz­li­ches Zahlungs­mit­tel, selbst wenn es niemand mehr im tägli­chen Zahlungs­ver­kehr nutzen sollte.

– - – 

CBDC – Central Bank Digi­tal Currencies
– - – 

Was ist digi­ta­les Zentralbankgeld? 

– - – 

Im Grunde gibt es digi­ta­les Zentral­bank­geld bereits seit langem. Es handelt sich dabei um Sicht­gut­ha­ben, die ausschließ­lich Geschäfts­ban­ken und bestimm­te Finanz­in­sti­tu­te bei der Zentral­bank führen (müssen). Dane­ben gehö­ren die physisch ausge­ge­be­nen Geld­schei­ne zum Zentral­bank­geld. Darauf haben auch alle Priva­ten und Unter­neh­men nach Bedarf Zugriff (über das Banken­sys­tem). Die neu einzu­füh­ren­de digi­ta­le Geld­form zeich­net sich demnach dadurch aus, dass Jeder­mann es nach­fra­gen kann, nicht nur Banken. Es wird von offi­zi­el­len Insti­tu­tio­nen einge­führt (Regie­run­gen, Zentral­ban­ken) und soll wie das bisher einzi­ge gesetz­li­che Zahlungs­mit­tel Bargeld fungie­ren. Aller­dings können einzel­ne Eigen­schaf­ten nicht erhal­ten blei­ben, die tradi­tio­nel­les Geld ausmachen. 

– - – 

Die zentra­le Heraus­ge­ber­schaft unter­schei­det es von so genann­ten Kryp­to­wäh­run­gen, die keiner behörd­li­chen Kontrol­le unterliegen.
– - – 

Drei reali­sier­ba­re Vari­an­ten von CBDC 

– - – 

Es gibt verschie­de­ne Vorschlä­ge, wie CBDC umge­setzt und genutzt werden kann:
1. Zugang für jeder­mann (CBDC, konten­ba­siert): Indi­vi­du­el­le Konten werden bei der Zentral­bank geführt. Trans­fers unter Markt­teil­neh­mern würden direkt über die Zentral­bank laufen. Nach Über­prü­fung des Anspruchs mittels eines Zentral­re­gis­ters erfolgt die Trans­ak­ti­on zwischen diesen Konten.
2. Zugang für jeder­mann („Retail CBDC“, token­ba­siert): Die Zentral­bank gibt digi­ta­le Token an die Öffent­lich­keit aus. Der Trans­fer dieser Token ermög­lich­te dem Bargeld vergleich­ba­re Trans­ak­tio­nen. Diese CBDC-Vari­an­te würde unmit­tel­ba­re und anony­me Abrech­nun­gen erlau­ben und damit wie ein dezen­tra­les System funk­tio­nie­ren können.

– - – 

3. Insti­tu­tio­nel­ler Zugang („Whole­sa­le CBDC“, token­ba­siert): Auf Banken und andere Finanz­in­sti­tu­te begrenz­ter Zugang, konzi­piert für den insti­tu­tio­nel­len Zahlungs­ver­kehr sowie den Inter­ban­ken­markt. Dieser Ansatz käme dem aktu­el­len konten­ba­sier­ten Banken­sys­tem am nächs­ten, bei dem Geschäfts­ban­ken ihre Konten bei Zentral­ban­ken halten. Ähnlich wie heute beim Bargeld gelan­gen die digi­ta­len Token nur über Geschäfts­ban­ken zu Privat­haus­hal­ten und Unter­neh­men. In der Folge kann das so ausge­ge­be­ne Geld wie Münzen und Schei­ne für Trans­ak­tio­nen und zur Wertauf­be­wah­rung genutzt werden.

– - – 

Fragen, die es im Zusam­men­hang mit CBDC zu beant­wor­ten gilt: 

– - – 

Was wird aus dem auf einem einzi­gen gesetz­li­chen Zahlungs­mit­tel (dem Bargeld) basie­ren­den System heuti­gen Zuschnitts rein rechtlich?
Soll digi­ta­les Zentral­bank­geld zinstra­gend sein? (Dabei sind sowohl posi­ti­ve wie nega­ti­ve Zinsen gemeint)
Soll es bei Zahlungs­vor­gän­gen mit CBDC Höchst­gren­zen geben?
Sind das Buch­geld bei Banken und digi­ta­les Zentral­bank­geld in belie­bi­ger Höhe 1:1 konver­tier­bar oder gibt es Höchst­gren­zen und bildet sich evtl. ein Wechselkurs?
– - – 

Inwie­weit sind anony­me Zahlun­gen mit „Mobile-Apps“ oder Prepaid-Karten möglich?
Braucht man ein Bank­kon­to oder muss Kunde bei einem Unter­neh­men sein, um am Zahlungs­ver­kehr teil­neh­men zu können?
Wenn ein offe­ner Zugang für alle möglich ist (sei es direkt über die Zentral­bank oder indi­rekt über die Geschäfts­ban­ken), welche Rolle spie­len dann noch die Buch­geld­gi­ro­kon­ten im Bankensystem?
– - – 

Werden die Inter­me­diä­re hinsicht­lich der Durch­füh­rung bargeld­lo­ser Zahlun­gen über­flüs­sig, weil Gutha­ben zum CBDC abfließen?
– - – 

Welche Zahlungs­mit­tel akzep­tie­ren staat­li­che Organe zukünftig?
– - – 

Welche Folgen hat CBDC für die Einla­gen­si­che­rung von Buchgeld?
– - – 

Steue­rungs­in­stru­men­te der Zentralbank 

– - – 

Beim heuti­gen Bargeld fehlen den Zentral­ban­ken Hand­ha­bun­gen, um fest­zu­stel­len, wie jener Teil des ausge­ge­be­nen Geldes genutzt wird, der nicht für Trans­ak­tio­nen Verwen­dung findet. Immer­hin knapp 90 % aller Euro­bank­no­ten (dem Wert nach) werden gehor­tet, bzw. sind mit Nutzungs­zwe­cken „unter­wegs“, die die Deut­sche Bundes­bank als „unbe­kannt“ in den bargeld­be­zo­ge­nen Statis­ti­ken aufführt. Insbe­son­de­re die Schei­ne mit hohem Nomi­nal­wert (500 € und 200 €) tauchen im Wirt­schafts­ver­kehr kaum auf.
– - – 

Derzeit stehen die Zentral­ban­ken vor dem Problem, dass eine durch­aus erfor­der­li­che Zins­sen­kung für Gutha­ben tiefer in den nega­ti­ven Bereich kaum mehr durch­führ­bar ist, da es zu einer verstärk­ten Flucht in das mit 0 % „rentie­ren­de“ Bargeld käme. Die aktu­ell exis­tie­ren­de Gesamt­la­ge führt zu Proble­men im Banken­sys­tem, da die Margen der Geschäfts­ban­ken im Span­nungs­feld zwischen Kunden­ein­la­gen, Kredit­ver­ga­ben und Bargeld­be­reit­stel­lung sinken und die Kosten­de­ckung erschwe­ren. Die Einfüh­rung und Erhö­hung von Gebüh­ren seitens der Banken verschafft kleine Spiel­räu­me, aber die nicht einschränk­ba­re Nach­fra­ge nach Barem bietet allen Wirt­schafts­teil­neh­mern den „siche­ren Hafen“ als Alter­na­ti­ve, wenn Minus­zin­sen auf Gutha­ben­kon­ten überhandnehmen.

– - – 

Auf CBDC hätte die Zins­po­li­tik der Zentral­bank direk­te Auswir­kung. Es ließen sich darauf nega­ti­ve Zinsen erhe­ben, sodass ein Auswei­chen aus ande­ren Geld­an­la­gen keine Vortei­le bräch­te. Inso­weit es auf eine Beibe­hal­tung des Bargelds als einzi­ges gesetz­li­ches Zahlungs­mit­tel hinaus­lie­fe, müss­ten die glei­chen Bedin­gun­gen erwo­gen werden, sprich Bargeld müsste „zinstra­gend“ werden. Statt von Zinsen kann man dabei auch von Gebüh­ren spre­chen, da Geld­schei­ne physisch vorhan­den sind und deren Emis­si­on und Bereit­stel­lung einer zu erbrin­gen­den Leis­tung entspre­chen. Blie­ben Bank­no­ten ein Mittel, sich jegli­cher Zins­po­li­tik zu entzie­hen, wäre ein zinstra­gen­des CBDC nicht geeig­net finanz­markt­tech­nisch und gesamt­wirt­schaft­lich ggf. für nötig erach­te­te Nega­tiv­zin­sen wirkungs­voll umzusetzen.

– - – 

Diese sich andeu­ten­de Zwangs­la­ge kommt den Forde­run­gen der Frei­wirt­schaft und dessen Begrün­der Silvio Gesell gele­gen. Förder­lich ist dabei die Notwen­dig­keit, auch hinsicht­lich der Nutzung von Bargeld neue Wege finden zu müssen, wenn man das Tor zu digi­ta­lem Zentral­bank­geld öffnen will. Die Verfech­ter frei­wirt­schaft­li­cher Theo­rien leiden seit jeher unter einer wissen­schaft­li­chen Abqua­li­fi­zie­rung des Ansin­nens der Einfüh­rung von Kosten für die Hortung von Bargeld. Den stän­di­gen Erneue­rungs­pro­zess von umlau­fen­den Zahlungs­mit­teln, der nach einer entspre­chen­den Reform einset­zen und die Geld­men­gen­steue­rung wesent­lich verein­fa­chen würde, diffa­mier­te man verkür­zend als „Schwund­geld“. Ande­rer­seits verstand es die moder­ne Forschung auf diesem Gebiet bisher nicht, den tiefe­ren, inne­ren Wert der Reform klarer zu kommu­ni­zie­ren. Insbe­son­de­re, warum es nicht zu einer Entwer­tung des Geldes durch die Gebühr kommen würde, sondern im Gegen­teil zu einer stabi­len Währung mit steti­gem Umlauf.

– - – 

Aktu­ell stel­len Forscher, Exper­ten und Lehren­de an Hoch­schu­len zuneh­mend Gesells Arbei­ten in Verbin­dung zu den Entwick­lun­gen im Gesamt­ge­fü­ge aus Geld­po­li­tik, Nega­tiv­zin­sen und digi­ta­lem Zentralbankgeld.

– - – 

Meinun­gen, Einschät­zun­gen, Stellungnahmen 

– - – 

Jens Weidmann

– - – 

Bundes­bank-Präsi­dent Jens Weid­mann sieht bezüg­lich der Digi­ta­li­sie­rung des Geldes die Rolle der Deut­schen Bundes­bank als eine in akti­ver Gestal­tung und nicht etwa nur als Beob­ach­ter. Das bedeu­te jedoch nicht, dass man sich in die Entschei­dun­gen von Bürgern einmi­schen wolle, bei denen es um das Zahlungs­ver­hal­ten gehe. Man stelle den Bürgern das bereit, was diese verlan­gen, digi­ta­le oder bare Zahlungs­mit­tel. „Wir wollen die Bürger aber nicht in eine bestimm­te Rich­tung drän­gen“, so Weidmann.

– - – 

Er beton­te dabei, dass es viele Inno­va­tio­nen im Zahlungs­ver­kehr gäbe, die nicht von Noten­ban­ken, sondern aus der Privat­wirt­schaft stammten.

Im kürz­lich von der EZB veröf­fent­lich­ten Konsul­ta­ti­ons­pa­pier zur Einfüh­rung eines digi­ta­len Euro gehe es zunächst darum, die Vor- und Nach­tei­le abzuwägen.

– - – 

– - – 

Fazit 

– - – 

Die Digi­ta­li­sie­rung der Finanz­welt sowie des natio­na­len und inter­na­tio­na­len Zahlungs­ver­kehrs schrei­tet unauf­halt­sam voran. Es scheint nicht mehr darum zu gehen ob, sondern wann das erste digi­ta­le Zentral­bank­geld einge­führt wird. Die Forschun­gen entwi­ckeln sich weiter. Dabei erweist sich als unab­wend­bar, dass es zu grund­le­gen­den struk­tu­rel­len Verän­de­run­gen im Geld- und Finanz­sys­tem kommt. Spiel­räu­me für einen höhe­ren Grad an Dezen­tra­li­tät werden entste­hen. Sicher­heits­ge­fah­ren sind unver­meid­bar und anders­ar­ti­ge Formen von Krimi­na­li­tät beschäf­ti­gen die Justiz. Den kaum mehr eine Rolle spie­len­den Geld­fäl­schern könnte eine Schar von Hackern mit krimi­nel­ler Ener­gie folgen, die sich weit­aus effi­zi­en­ter in der Welt des Geldes Zugriff verschaf­fen könnten.

– - – 

Verläss­lich­keit und Vertrau­en in eine neue Währungs­ord­nung aufzu­bau­en, dauert Jahre. Gewach­se­ne, demo­kra­tisch entwi­ckel­te und umge­setz­te Struk­tu­ren haben in diesem Prozess den Zeit­vor­teil durch einen in zurück­lie­gen­den Jahren gewach­se­nen Vertrau­ens­vor­schuss. Der ließe sich nutzen, damit man nach einer turbu­len­ten Etappe auch wieder in Phasen von Stabi­li­tät und Ordnung gelangt. Ein grund­le­gen­der Wandel voll­zieht sich und es deutet sich eine Zeit der Aben­teu­er von Ideen an.
– - – 

– - – mehr online