Kategorie: Ausgabe 04 - 2013

Vermögensabgabe statt ökonomischem Unvermögen! – Roland Rottenfußer 0

Vermögensabgabe statt ökonomischem Unvermögen! – Roland Rottenfußer

„Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“, heißt das bekann­te Zitat von Bertold Brecht. Umge­kehrt gilt dies aber auch. Über­mä­ßi­ger Reich­tum steht zu wenig im Fokus der Öffent­lich­keit. Dabei ist er in mehr­fa­cher Hinsicht gemein­schafts­schäd­lich. Weil Geld an allen Ecken und Enden fehlt und sich gewal­ti­ge, demo­kra­tisch nicht legi­ti­mier­te Macht­zen­tren bilden. Attac fordert jetzt in einem Papier eine einma­li­ge Vermö­gens­ab­ga­be der Reichen mit einem Gesamt­vo­lu­men von über einer Billi­on Euro. Außer­dem sollen lang­fris­ti­ge Mecha­nis­men der Umver­tei­lung von oben nach unten etabliert werden. Ist dieser Vorschlag von Attac begrü­ßens­wert? Ja. Ist er ausrei­chend? Nein. Kaba­ret­tist Volker Pispers ist in Hoch­form: „Wenn die 10 Prozent rich­tig Reichen im Land bereit wären, die Hälfte ihres Vermö­gens abzu­ge­ben, wären die Staats­schul­den prak­tisch weg.“ Höflich plät­schern­des Lachen im Publi­kum. „Und das bräuch­ten die gar nicht auf einen Schlag zu tun. Wenn die reichs­ten 10 Prozent bereit wären, 10 Jahre lang jeweils 5 Prozent von ihrem Vermö­gen abzu­ge­ben – das würden die in dem einzel­nen Jahr über­haupt nicht mitkrie­gen.“ Betre­te­nes Schwei­gen im Publi­kum. Irgend­wo muss doch der Haken sein! Tatsäch­lich schließt Pispers mit der Bemer­kung: „Es gibt nur ein einzi­ges Problem: Wir haben eine Demo­kra­tie. Und Sie krie­gen in einer Demo­kra­tie keine Mehr­heit für eine Poli­tik, von der 90 Prozent der Bevöl­ke­rung profi­tie­ren würden.“

Renan Demirkan – Foto: © Pat Christ
Foto: © Pat Christ
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Eine Schauspielerin begehrt auf – Pat Christ

Im Allge­mei­nen ist der Begriff nicht umstrit­ten: „Tole­ranz“ wird viel und gern verwen­det. Da gibt es den „Verein für Tole­ranz & Zivil­cou­ra­ge“ in Neumüns­ter. Die „Tole­ranz Fabrik“ in Würz­burg. Oder das „Bünd­nis für Demo­kra­tie und Tole­ranz“ der Bundes­re­gie­rung. Für die aus der Türkei stam­men­de Schau­spie­le­rin Renan Demir­kan aller­dings ist Tole­ranz eine „Herr­schafts­ges­te“. Ange­sichts des sich ausbrei­ten­den Rechts­ra­di­ka­lis­mus warnt sie in ihrem Buch „Respekt“ vor den Folgen „tole­ran­ter“ Respekt­lo­sig­kei­ten. In tole­ran­ten Gesten verrät sich für Demir­kan oft ekla­tan­te Respekt­lo­sig­keit. „Die viel beschwo­re­ne ‚Tole­ranz‘ besteht auf dem Abstand zu Allem“, sagt sie. Wer sein Gegen­über tole­riert, lässt es zwar leben. Aber er nimmt sie oder ihn noch lange nicht an. Ist noch lange nicht bereit, den Schritt vom „Ich“ zum „Wir“ zu voll­zie­hen. Tole­ranz passt genau zur indi­vi­dua­li­sier­ten Kultur des Westens, findet Renan Demir­kan: „Denn dessen Ideal­bild ist der getrenn­te Mensch.“ Den man auf Abstand duldet. Ohne sich weiter mit ihm zu soli­da­ri­sie­ren. Tole­riert wird damit nicht nur das Indi­vi­du­um. Sondern zum Beispiel auch wach­sen­de Armut und Unge­rech­tig­keit im eige­nen Land.

Die neue Bodenfrage – Benedikt Härlin 0

Die neue Bodenfrage – Benedikt Härlin

„Man verkauft nicht das Land, auf dem Menschen gehen“ (One does not sell the land people walk on.), den berühm­ten Ausspruch des Lakota-Häupt­ling Crazy Horse im Jahre 1873 hätte damals wohl eine große Mehr­heit der Mensch­heit für selbst­ver­ständ­lich gehal­ten. Die Vorstel­lung, das Land ihrer Vorfah­ren und Kinder wie Weizen, Werk­zeug oder Pferde zu verkau­fen, wäre ihnen absurd, ja undenk­bar erschie­nen. Land­nah­me war seiner­zeit noch eine exklu­si­ve Beschäf­ti­gung von Köni­gen und Fürs­ten und der von ihnen beauf­trag­ten Erobe­rer. Die gaben zu der Zeit, auch in Deutsch­land, gerade erst die Gewohn­heit auf, mitsamt dem Land auch die Menschen zu verkau­fen, die darauf lebten. Die USA waren dage­gen einer der ersten Staa­ten der Welt, in dem unein­ge­schränk­tes Privat­ei­gen­tum an Grund und Boden zum verbrief­ten Bürger­recht wurde. Der Spruch des Helden von „Little Bighorn“ vor 140 Jahren, unter dessen Jagd­grün­den, zu Unrecht, Gold vermu­tet wurde, galt auch den eige­nen Leuten. Sich durch Zahlung von Geld an Einzel­ne sich des Erbes ganzer Gemein­schaf­ten zu bemäch­ti­gen, gehört seit Langem zu den Grund­la­gen dessen, was heute als „Land­g­rab­bing“ bezeich­net wird.

Wirtschaft und Ethik – Johannes Korten 0

Wirtschaft und Ethik – Johannes Korten

Fast 15 Jahre ist es mitt­ler­wei­le her, dass ich in einer Vorle­sung zum Thema Umwelt- und Ressour­cen-Ökono­mik saß, in der sich der vorle­sen­de Profes­sor bitter darüber beklag­te, dass die Fakul­tät nach einer Mehr­heits­ent­schei­dung des Fakul­täts­ra­tes das Fach „Wirt­schafts­ethik“ aus dem Stun­den­plan gestri­chen hatte. Ein, zwei Semes­ter gab es das Ange­bot noch als frei­wil­li­ge Veran­stal­tung, danach wurde der Unter­richt dann mangels Inter­es­se einge­stellt. Ein aufmerk­sa­mer Blick in den Hörsaal konnte dieses mangeln­de Inter­es­se eigent­lich nur bestä­ti­gen. Über­all kleine ange­hen­de Unter­neh­mer und Nach­wuchs­füh­rungs­kräf­te, die sich mit den Niede­run­gen alltäg­li­cher, harter Arbeit nicht wirk­lich ausein­an­der­set­zen woll­ten oder muss­ten, scho­ben Mami und Papi in den meis­ten Fällen doch monat­lich den dicken Scheck für Auto und Wohnung rüber. Das Mantra vom alles regeln­den und ohne jegli­che Eingrif­fe perfekt funk­tio­nie­ren­den Markt wurde uns ja auch tagtäg­lich vorge­be­tet. Gehört habe ich die Botschaft wohl, allein mir fehlte der Glaube. Nicht umsonst war dieses Studi­um eine solche Quäle­rei für mich. Der fehlen­de Glaube hat sich während meiner beruf­li­chen Lauf­bahn seit­dem auch nur unwe­sent­lich verän­dert. Als 2000 die so genann­te „New Econo­my“ zusam­men­brach, war es mit der Herr­lich­keit in den Unter­neh­men erst­mal vorbei. In vielen Fällen siegte Macht­be­wusst­sein über Kompe­tenz und mit dieser Verän­de­rung zog ein ziem­lich kalter Wind in die Unter­neh­men ein. Das Diktat der Kapi­tal­märk­te mit Ihren jung­spun­di­gen Invest­ment­ma­na­gern die gestan­de­nen Führungs­kräf­ten erzäh­len, sie hätten ihre „Haus­auf­ga­ben nicht gemacht“ (O‑Ton, genau­so erlebt), nahm rasant zu. Absur­de Börsen­vor­schrif­ten mit immer kürze­ren Berichts­zy­klen haben aus vielen Unter­neh­men auch noch das letzte Fünk­chen lang­fris­ti­ges und wirk­lich nach­hal­ti­ges Denken und Handeln verschwin­den lassen.

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Dem Konsumismus trotzen! – Das Abseits als wirtlicher Ort – Marianne Gronemeyer

Die Über­schrift, die dieser Vortrag nach eini­gen Vorüber­le­gun­gen gefun­den hat, ist womög­lich zu kämp­fe­risch gera­ten für das, was ich sagen will. Das „trot­zi­ge“ Aufbe­geh­ren, zu dem in der ersten Zeile des Titels aufge­ru­fen wird, passt nicht recht zu dem „Abseits“, das sich in der zwei­ten als „wirt­li­cher Ort“ empfiehlt. Sie schei­nen einan­der sogar auszu­schlie­ßen. Ich aber will für das Abseits
plädie­ren. Viel­leicht sollte also an der Stelle des Ausru­fungs­zei­chens besser ein Frage­zei­chen stehen. In seinem Vorwort zu der Aufsatz­samm­lung „Schu­len helfen nicht“ („Cele­bra­ti­on of Aware­ness“), die Ivan Illich 1969 erst­ma­lig publi­zier­te, schreibt Erich Fromm: „Weder diese Aufsät­ze, noch ihr Verfas­ser bedür­fen einer Einlei­tung. Wenn trotz­dem Ivan Illich mir die Ehre erwie­sen hat, mich um eine Einlei­tung zu bitten, und wenn ich das gern über­nom­men habe, so schei­nen wir dabei beide gedacht zu haben, eine solche Einlei­tung sei eine Gele­gen­heit, einer gemein­sa­men Haltung und Über­zeu­gung Ausdruck zu geben, obwohl einige unse­rer Ansich­ten beträcht­lich ausein­an­der­ge­hen. Auch die Auffas­sung des Verfas­sers ist heute nicht mehr immer die glei­che wie zu der Zeit, als er im Laufe der Jahre bei verschie­de­nen Anläs­sen diese Aufsät­ze schrieb. Im Kern seiner Einstel­lung ist er sich jedoch treu geblie­ben, und in diesem Kern stim­men wir überein.“

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Über Kapitalfluten und Hochwasserschutz – Günther Moewes

In den Medien erhebt sich derzeit der ganz große Aufschrei: Der Nied­rig­zins bringe unsere gesam­te Alters­ver­sor­gung zum Einsturz. Es drohe Alters­ar­mut. „Und sie wird nicht nur die ohne­hin schon Armen erwi­schen, sondern jene Mittel­schicht, die bisher immer glaub­te, alles rich­tig zu machen.“ Nicht nur den Armge­mach­ten drohe Alters­ar­mut – auch die bisher als privi­le­giert gelten­den „Archi­tek­ten, Rechts­an­wäl­te und Ärzte müssen um ihre Renten­an­sprü­che bangen“. Und so ganz neben­bei auch viele Zins­geg­ner, die ja meist nicht gerade zur Unter­schicht zählen. „Die nied­ri­gen Zinsen sind allen­falls gut für Haus­käu­fer, die Banken und vor allem für Regie­run­gen“ schreibt DER SPIEGEL.[1] Und für Miet­haie. [1 Alle Zitate aus DER SPIEGEL 192013, Titel­ge­schich­te, S. 63, 68.]

Halten wir erst einmal fest: am bishe­ri­gen Beute­sche­ma hat sich wenig geän­dert. Verlie­rer sind nach wie vor die Wert­schöp­fen­den, Arbei­ten­den, Arbeits­lo­sen, Armge­mach­ten, Alleinerziehenden,
Rent­ner und Schuld­ner. Und Gewin­ner sind nach wie vor die Besit­zen­den, Groß­gläu­bi­ger, Speku­lan­ten, Inves­to­ren, Haus­käu­fer und Miet­haie. Nur etwas hat sich geän­dert: Die Regie­run­gen haben entdeckt, wie sie sich auf Kosten der Millio­nen Klein­gläu­bi­ger einen blan­ken Fuß machen können, wie sie am elegan­tes­ten ihre gewal­ti­gen Staats­schul­den auf die Bevöl­ke­run­gen abwäl­zen können. Nach
der Masche mit Rettungs­schir­men und Spar­zwang nun die mit Null­zins­po­li­tik, Infla­ti­on und priva­ter Alters­vor­sor­ge. Auch diese Masche ist uralt. Schon immer haben Staa­ten sich so ihrer Kriegs- und Krisen­schul­den entle­digt. Und deshalb ist das alles auch seit eh und je früh­zei­tig voraus­ge­sagt worden, meist von der kriti­schen Wissen­schaft und manch­mal von den jewei­li­gen Oppo­si­tio­nen der jewei­li­gen Regierungen.

Fehlende Voraussetzungen zur Überwindung des  Bürgerkrieges durch einen Bürgerfrieden – Zusammenstellung durch Wilhelm Schmülling 0

Fehlende Voraussetzungen zur Überwindung des Bürgerkrieges durch einen Bürgerfrieden – Zusammenstellung durch Wilhelm Schmülling

„Hat es einen vernünf­ti­gen Sinn, für den Völker­frie­den zu arbei­ten und dabei seine Unter­la­ge, den Bürger­frie­den, unbe­ach­tet zu lassen? … So wie die Dinge liegen, bedeu­tet der Völkerfrieden
ein bloßes Abdich­ten der Sicher­heits­ven­ti­le der heute in der ganzen Welt herr­schen­den Gesell­schafts­ord­nung, also nur eine Verkür­zung der Galgen­frist bis zum großen Welt­brand. … Der Bürger­frie­den ist die Bedin­gung für jenen Geist, der uns allein den dauern­den Völker­frie­den brin­gen kann. Aber der Bürger­frie­den einer­seits und Vorrech­te, Zinsen, arbeits­lo­ses Einkommen
ander­seits, kurz, Bürger­frie­den und Rent­ner­tum (Kapi­tal­rent­ner, die Red.), sind Gegen­sät­ze.“ [Silvio Gesell in seinem Aufsatz „Gold und Frie­den“, „Die Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung“, S. 213]

Leserbriefe 04/2013 0

Leserbriefe 04/2013

Angst ist die Bremse – Ich teile Ihnen meine Begeis­te­rung für Ihre Zeit­schrift mit! Sie haben die ideale Kombi­na­ti­on von Wirt­schaft und Mensch­lich­keit! Mein Symbol für Sie: Ich dachte nicht, dass es solche Gedan­ken­voll­zü­ge über­haupt gibt. Wenn ich mir die Zeitun­gen ange­schaut habe, die mit hoch­tra­ben­den Wirt­schafts­nach­rich­ten mehr Angst, als Moti­va­ti­on geben, so bin ich an Ihren Wirt­schafts­nach­rich­ten höchst inter­es­siert und dank­bar, dass ich Infor­ma­tio­nen bekom­me, die mir auch „schme­cken“, weil sie nicht nur der MACHT der Wirt­schaft den Hof machen. Und mein Wissen weiterbringen!…

Grafik Nr. 30 - Helmut Creutz 0

Minuszinsen – eine Lösung unserer Probleme? – Helmut Creutz

Worum geht es? Dass die entschei­den­den Voraus­set­zun­gen für eine dauer­haf­te Absen­kung der Zinsen nur über die Zentral­ban­ken und deren Leit­zin­sen erreich­bar sind, dürfte weit­ge­hend Zustim­mung finden. Dabei geht es vor allem um jenen Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz, zu dem die Banken bei der Zentral­bank Geld auslei­hen können, was in norma­len Zeiten über­wie­gend nur jeweils für eine Woche der Fall ist. Der darüber liegen­de „Spit­zen­re­fi­nan­zie­rungs­satz“ bietet den Banken die Möglich­keit, bei Bedarf noch zusätz­li­ches Geld zu erhal­ten, während der untere Einla­ge­satz den Banken ermög­licht, übri­ges Geld bei der Zentral­bank zu nied­ri­ge­ren Zinsen zu parken, was meist nur über Nacht geschieht.

Wie aus der Darstel­lung hervor­geht, wurden die beiden letzt­ge­nann­ten Zins­sät­ze, trotz aller Auf- und Abstie­ge, in der Vergan­gen­heit immer mit einem Prozent­punkt Abstand zum Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz fest­ge­setzt. Im Zuge der mehr­fa­chen Abstie­ge des Haupt­sat­zes 200809, redu­zier­te man jedoch diesen Abstand, „Leit­zins­kor­ri­dor“ genannt, auf drei­vier­tel Prozent, wahr­schein­lich um bei dem unte­ren Einla­ge­satz nicht mit der Null­li­nie in Berüh­rung zu kommen! Doch als man im Juli 2012 den Leit­zins­kor­ri­dor sogar auf ein halbes Prozent absenk­te, war dieses Tabu gebro­chen: Es gab zum ersten Mal bei der Bundes­bank, bzw. der EZB, einen Null-Zins­satz! Doch bei der nach­fol­gen­den Haupt­satz-Absen­kung im Mai 2013 auf ein halbes Prozent, vermied man den nun eigent­lich anste­hen­den Durch­bruch in den Minus­be­reich erneut durch eine Redu­zie­rung der Zins­satz-Abstän­de, dies­mal auf ein halbes Prozent! – Das heißt, der Vorteil, der den Banken beim „Parken“ von Über­schüs­sen einge­räumt wird und ursprüng­lich bei einem Prozent lag, ist über drei Vier­tel nun auf ein halbes Prozent­ge­schmol­zen! – Dass mit solchen nied­ri­gen Zins­sät­zen und vor allem Zins­satz-Abstän­den auch die Steue­rungs­mög­lich­kei­ten der Zentral­ban­ken schwin­den, dürfte einleuch­ten. Deshalb wären, zumin­dest bei den Einla­ge­sät­zen, Zins­sät­ze unter Null längst überfällig.