Der Riss wird immer tiefer – Pat Christ
Christoph Butterwegge analysiert die wachsende Ungleichheit in Deutschland
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Dieses Buch war seinerzeit ein bedeutendes Ereignis: 250.000 Exemplare von „Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik“ konnten unter die Leute gebracht werden. Bestsellerautor Urs Jaeggi aus der Schweiz beschreibt darin 1973, wie ungleich die wirtschaftliche Macht in Deutschland verteilt ist. Seither hat sich die Problematik extrem verschärft. Was auch publiziert wird. Doch Bestseller sind diese Werke heute nicht mehr. Hat man sich daran gewöhnt, in einer dysfunktionalen, „zerrissenen“ Republik zu leben?
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Es scheint ein Prinzip zu geben, das man einfach nicht durchbrechen kann, und das dazu führt, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden. In seinem am 20. November im Verlag Beltz Juventa erschienenen Buch „Die zerrissene Republik. Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland“ stellt Armutsforscher Christoph Butterwegge die Situation akribisch dar und macht sich auf Spurensuche nach den Ursachen. Er stößt dabei, zumindest am Rande, auch auf Theorien, die im Umfeld der Freiwirtschaft diskutiert werden. Bei seiner Analyse der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte zitiert Butterwegge zum Beispiel den Berliner Volkswirt Carl Föhl.
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Föhl befasste sich im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Fragenkomplex, wer in Deutschland seit Kriegsende welche Vermögen bilden konnte, wie das genau geschah und auf welche Weise sich Verteilung politisch beeinflussen lässt. 1964 erschien sein Gutachten. Darin kritisierte Föhl deutlich die aus der bestehenden Wirtschaftsordnung resultierende Vermögenskonzentration während der 1950er Jahre. Die hohen Einkommen bestünden „vorwiegend aus Gewinn- und Zinseinkommen“, so das Ergebnis seiner Untersuchung. Zwangsläufig falle „der weitaus größte Teil des jeweils neu geschaffenen Volksvermögens denjenigen zu, welche bereits besitzen“.
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Heute ist es nicht unüblich, dass der Chef eines Internetgiganten das X‑fache des Bruttoinlandprodukts einer gesamten Nation besitzt. Amazon-Boss Jeff Bezos sowie Bill Gates kommen beispielsweise beide auf 110 Milliarden Dollar Vermögen – während das BIP des Staates Sierra Leone nicht einmal bei vier Milliarden Dollar liegt. Dass diese Vermögen „zwangsläufig“ weiterwachsen werden, ist auch Butterwegge klar: „Wer über ein großes Vermögen verfügt, kann Vermögensverwalter einsetzen und sein Geld zum Beispiel Blackrock geben.“ Das US-Finanzinstitut überwacht die Entwicklung von etwa 30.000 Investmentportfolios im Wert von etwa 15 Billionen Euro.
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„Strukturen müssen sich ändern“
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Butterwegges Buch gipfelt in der Forderung nach „tiefgreifenden Strukturveränderungen“. „Reichtum entsteht nicht trotz der Existenz von Armut, vielmehr gerade durch deren Erzeugung“, konstatiert er. Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Forscher seit langem, dass der Spitzensteuersatz seit 1945 nahezu kontinuierlich abgesenkt wurde. Doch Butterwegge sieht gleichzeitig: „Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes oder die Einführung einer Millionärssteuer reichen längst nicht mehr aus, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen.“
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Weil die Mittelschicht mehr oder weniger brav und bieder ausführt, was das kapitalistische System befiehlt, ist es den Schlussfolgerungen des Armutsforschers zufolge noch immer nicht gelungen, tiefgreifende Strukturveränderungen durchzusetzen. Doch die Mittelschicht sieht er als einzige Kraft an, die konkret etwas verändern könnte. „Wer sehr reich ist, ist auch politisch einflussreich und wird dafür sorgen, dass Entscheidungen getroffen werden, die seinen Interessen entsprechen“, so der Professor. Die Armen wiederum hätten so viel mit ihrem täglichen Überlebenskampf zu tun, dass sie kaum politisch aktiv werden können: „Sie haben die Sorge, wie sie am 20. des Monats noch was Warmes auf den Tisch kriegen.“
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Dieses Buch war seinerzeit ein bedeutendes Ereignis: 250.000 Exemplare von „Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik“ konnten unter die Leute gebracht werden. Bestsellerautor Urs Jaeggi aus der Schweiz beschreibt darin 1973, wie ungleich die wirtschaftliche Macht in Deutschland verteilt ist. Seither hat sich die Problematik extrem verschärft. Was auch publiziert wird. Doch Bestseller sind diese Werke heute nicht mehr. Hat man sich daran gewöhnt, in einer dysfunktionalen, „zerrissenen“ Republik zu leben?
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Es scheint ein Prinzip zu geben, das man einfach nicht durchbrechen kann, und das dazu führt, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden. In seinem am 20. November im Verlag Beltz Juventa erschienenen Buch „Die zerrissene Republik. Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland“ stellt Armutsforscher Christoph Butterwegge die Situation akribisch dar und macht sich auf Spurensuche nach den Ursachen. Er stößt dabei, zumindest am Rande, auch auf Theorien, die im Umfeld der Freiwirtschaft diskutiert werden. Bei seiner Analyse der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte zitiert Butterwegge zum Beispiel den Berliner Volkswirt Carl Föhl.
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Föhl befasste sich im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Fragenkomplex, wer in Deutschland seit Kriegsende welche Vermögen bilden konnte, wie das genau geschah und auf welche Weise sich Verteilung politisch beeinflussen lässt. 1964 erschien sein Gutachten. Darin kritisierte Föhl deutlich die aus der bestehenden Wirtschaftsordnung resultierende Vermögenskonzentration während der 1950er Jahre. Die hohen Einkommen bestünden „vorwiegend aus Gewinn- und Zinseinkommen“, so das Ergebnis seiner Untersuchung. Zwangsläufig falle „der weitaus größte Teil des jeweils neu geschaffenen Volksvermögens denjenigen zu, welche bereits besitzen“.
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Heute ist es nicht unüblich, dass der Chef eines Internetgiganten das X‑fache des Bruttoinlandprodukts einer gesamten Nation besitzt. Amazon-Boss Jeff Bezos sowie Bill Gates kommen beispielsweise beide auf 110 Milliarden Dollar Vermögen – während das BIP des Staates Sierra Leone nicht einmal bei vier Milliarden Dollar liegt. Dass diese Vermögen „zwangsläufig“ weiterwachsen werden, ist auch Butterwegge klar: „Wer über ein großes Vermögen verfügt, kann Vermögensverwalter einsetzen und sein Geld zum Beispiel Blackrock geben.“ Das US-Finanzinstitut überwacht die Entwicklung von etwa 30.000 Investmentportfolios im Wert von etwa 15 Billionen Euro.
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„Strukturen müssen sich ändern“
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Butterwegges Buch gipfelt in der Forderung nach „tiefgreifenden Strukturveränderungen“. „Reichtum entsteht nicht trotz der Existenz von Armut, vielmehr gerade durch deren Erzeugung“, konstatiert er. Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Forscher seit langem, dass der Spitzensteuersatz seit 1945 nahezu kontinuierlich abgesenkt wurde. Doch Butterwegge sieht gleichzeitig: „Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes oder die Einführung einer Millionärssteuer reichen längst nicht mehr aus, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen.“
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Weil die Mittelschicht mehr oder weniger brav und bieder ausführt, was das kapitalistische System befiehlt, ist es den Schlussfolgerungen des Armutsforschers zufolge noch immer nicht gelungen, tiefgreifende Strukturveränderungen durchzusetzen. Doch die Mittelschicht sieht er als einzige Kraft an, die konkret etwas verändern könnte. „Wer sehr reich ist, ist auch politisch einflussreich und wird dafür sorgen, dass Entscheidungen getroffen werden, die seinen Interessen entsprechen“, so der Professor. Die Armen wiederum hätten so viel mit ihrem täglichen Überlebenskampf zu tun, dass sie kaum politisch aktiv werden können: „Sie haben die Sorge, wie sie am 20. des Monats noch was Warmes auf den Tisch kriegen.“
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