Am Wendepunkt der Evolution – Günther Moewes

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Das beob­acht­ba­re Univer­sum enthält etwa 100 Milli­ar­den Gala­xien wie unsere Milch­stra­ße. Jede Gala­xie enthält Aber­tau­sen­de von Ster­nen. Die US-Regie­rung gibt Milli­ar­den für die Suche nach Lebens­zei­chen im Welt­raum aus, eine Suche, die prin­zi­pi­ell völlig sinn­los ist. Selbst wenn es irgend­wo intel­li­gen­tes Leben geben würde, könn­ten wir es aufgrund der gewal­ti­gen Zeit­di­men­sio­nen nicht wahr­neh­men. Signa­le von einem Stern in 5.000 Licht­jah­ren Entfer­nung würden allen­falls besa­gen, dass es dort vor 5.000 Jahren einmal intel­li­gen­tes Leben gege­ben hat. Unsere Antwort könnte dort frühes­tens 10.000 Jahre nach Aussendung der dorti­gen Signa­le eintref­fen. Eine Kommu­ni­ka­ti­on wäre also ohne­hin unmöglich.

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Selbst wenn es also objek­tiv noch irgend­wo im Welt­all Leben geben könnte, bleibt das Leben auf der Erde für uns zumin­dest subjek­tiv auf ewig einzig­ar­tig. Aber die Wissen­schaft glaubt neuer­dings sogar, dass das Leben auf unse­rem Plane­ten auch objek­tiv einzig­ar­tig ist, dass höher entwi­ckel­tes Leben eine solche Viel­zahl äußerst unwahr­schein­li­cher Konstel­la­tio­nen voraus­setzt, dass eine Wieder­ho­lung im Welt­all prak­tisch ausge­schlos­sen ist. Solche Voraus­set­zun­gen sind unter anderem:
Flüs­si­ges Wasser bei einer Tempe­ra­tur­schwan­kungs­brei­te, in der es weder dauernd verdampft noch dauernd gefriert, deshalb
eine stabi­le, halb­wegs zentri­sche Umlauf­bahn in einer ganz bestimm­ten Entfer­nung zu einer Sonne. Zu nahe oder zu ferne Umlauf­bah­nen würden ebenso wenig stabi­le Tempe­ra­tu­ren zulas­sen wie allzu exzen­tri­sche Umlaufbahnen,
ein großer Mond in der rich­ti­gen Entfer­nung, der die Plane­ten­ach­se stabi­li­siert und damit das Klima,
eine Gashül­le, die ein uner­hört präzi­ses Gleich­ge­wicht zwischen Einstrah­lung und Abstrah­lung herstel­len muss und deshalb
Kohlen­stoff in einem ganz bestimm­ten Ausmaß. Zu wenig würde keinen Aufbau höhe­rer Orga­nis­men erlau­ben, zu viel würde zu hohe Tempe­ra­tu­ren infol­ge des Treib­haus­ef­fekts erzeugen,
vor allem aber einen gewal­ti­gen Deflek­tor­pla­ne­ten in der äuße­ren Umlauf­bahn, wie bei uns der Jupi­ter, der uns vor anflie­gen­den Kome­ten und Aste­ro­iden schützt, indem er sie mit seiner Schwer­kraft einfängt oder aber ablenkt und in den Welt­raum zurückschleudert.

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Dabei ist ein solcher Deflek­tor­schirm die wich­tigs­te und gleich­zei­tig unwahr­schein­lichs­te der Voraus­set­zun­gen. Eine solche Konstel­la­ti­on konnte noch nirgend­wo anders beob­ach­tet werden. Ohne diesen Deflek­tor­schirm wären Einschlä­ge von Himmels­kör­pern auf der Erde 10.000-mal häufi­ger. Jeder Einschlag wäre eine Kata­stro­phe wie die, die vor 65 Millio­nen Jahren die Sauri­er ausge­löscht hat und unser Planet wäre eine Krater­land­schaft wie auf dem Mond und Jupiter.

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Hinzu käme eine Fülle ande­rer spezi­fi­scher Voraus­set­zun­gen, ohne die zumin­dest unsere Evolu­ti­on nicht denk­bar gewe­sen wäre, von denen man aber annimmt, dass grund­sätz­lich ohne sie auch andere Formen von Evolu­ti­on denk­bar wären: Die Plat­ten­tek­to­nik der Erde, die Meeres­strö­mun­gen, Wetter, Erosi­on und Nähr­stoff­er­zeu­gung durch Verwit­te­rung ermög­licht, ein empfind­li­ches, sich selbst (z. B. durch Wald­brän­de) regu­lie­ren­des Gleich­ge­wicht aus Foto­syn­the­se, Remi­ne­ra­li­sie­rung und vieles mehr.

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Nur die Summe dieser Voraus­set­zun­gen konnte die Evolu­ti­on hervor­brin­gen, mit ihren „Wundern“, die die mensch­li­che Zivi­li­sa­ti­on trotz ihrer immer schnel­le­ren Beschleu­ni­gung bis heute auch nicht entfernt nach­voll­zie­hen konnte: Weder die Schlank­heit und Stabi­li­tät von Gras­halm oder Eier­scha­le noch die Wahr­neh­mungs­leis­tung eines winzi­gen Vogel­au­ges noch die Manö­vrier­fä­hig­keit des Libellenfluges.

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Ganz zu schwei­gen vom mensch­li­chen Gehirn, das wir mit lächer­li­chen Robo­tern zu imitie­ren suchen, obwohl wir bisher nur winzi­ge Bruch­tei­le seines Funk­tio­nie­rens über­haupt begrif­fen haben.

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Dieses einzig­ar­ti­ge Wunder des Lebens im Welt­raum setzt die Mensch­heit nun leicht­fer­tig aufs Spiel, letzt­lich wegen eines außer­or­dent­lich simp­len, vermeint­lich ökono­mi­schen mathe­ma­ti­schen Prin­zips, des soge­nann­ten Expo­nen­ti­el­len. Die vermeint­lich am höchs­ten entwi­ckel­te Art erhebt eine Art Milch­mäd­chen­prin­zip zur Reli­gi­on und schreibt es der Poli­tik sogar gesetz­lich vor (Stabi­li­täts­ge­setz). Sie entwi­ckelt auf der Basis dieses offen­bar nicht verstan­de­nen Prin­zips den Zinses­zins, d. h. ein Geld­sys­tem, das mit mathe­ma­tisch abso­lu­ter Unaus­weich­lich­keit in die voll­kom­me­ne Unkon­trol­lier­bar­keit führt. Die expo­nen­ti­el­le Geld­ver­meh­rung über­steigt bereits seit Jahr­zehn­ten jeden realen Bedarf. Den zwei Milli­ar­den Dollar über­flüs­si­gen Speku­la­ti­ons­gel­dern, die schon im Jahr Zwei­tau­send täglich um den Globus jagten, könnte auch dann längst nichts mehr entge­gen­ge­setzt werden, wenn sich alle Natio­nal­ban­ken der Welt zusammenschlössen.

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Dieses winzi­ge Prin­zip des expo­nen­ti­el­len Zinses­zin­ses dient vor allem einer globa­len Minder­heit dazu, ihren Allein­an­spruch auf die Maschi­nen­ver­diens­te und Indus­tria­li­sie­rungs­ge­win­ne zu recht­fer­ti­gen. Es verkehrt alle posi­ti­ven Geschichts­er­eig­nis­se ins Nega­ti­ve, alle Evolu­ti­on ins Desaster.

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Es verkehrt den Jahr­tau­sen­de alten Mensch­heits­traum von der Indus­tria­li­sie­rung und der Befrei­ung des Menschen von Arbeit durch die Maschi­ne in sein strik­tes Gegen­teil: eine Minder­heit erntet einsei­tig die Früch­te der Indus­tria­li­sie­rung und die Mehr­heit trägt einsei­tig die Folgen; eine immer klei­ne­re Minder­heit ist von Arbeit befreit und lebt von den sich stän­dig expo­nen­ti­ell vermeh­ren­den Zinsen und Gewin­nen. Und eine immer mehr verar­men­de Mehr­heit muss diese, jeden realen Bedarf über­stei­gen­de Geld­men­gen stän­dig mit immer sinn­lo­se­rer Arbeit bedie­nen. Obwohl infol­ge der Indus­tria­li­sie­rung Pro-Kopf-Produk­ti­vi­tät und Wohl­stand stän­dig noch schnel­ler wach­sen als die eben­falls stei­gen­de Lebens­er­war­tung, wird den Arbei­ten­den vorge­gau­kelt, infol­ge des „demo­gra­phi­schen Wandels“ müss­ten immer weni­ger Junge immer mehr Alte ernäh­ren und gegen dieses „Natur­er­eig­nis“ hätten sie sich gefäl­ligst unter­ein­an­der selbst zu versichern.

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Es lässt sich mit abso­lu­ter mathe­ma­ti­scher Sicher­heit sagen, dass das System der expo­nen­ti­el­len Geld­ver­meh­rung nicht ewig weiter­ge­hen kann, dass es endlich ist. Gleich­wohl gibt es keiner­lei poli­ti­sches oder ökono­mi­sches Konzept zu seiner kontrol­lier­ten Been­di­gung, zu einem geord­ne­ten Ausstieg. Das System taumelt weiter auf seine unaus­weich­li­che Kata­stro­phe zu. Die Frage ist nur noch, ob es zusam­men­bricht, bevor es die Natur auf unse­rem Plane­ten unwie­der­bring­lich zerstört hat, oder erst danach. Die Frage ist, ob es der Natur die Chance lässt, zurück­zu­schla­gen oder zumin­dest sich nach dem Zusam­men­bruch des Geld­sys­tems lang­fris­tig zu rege­ne­rie­ren, oder ob eine auf ewig verän­der­te Natur zurück­bleibt, in der es keine Regen­wäl­der mehr gibt und viel zu wenig Süßwas­ser, in der anspruchs­vol­le Groß­tier­ar­ten anspruchs­lo­sen Alles­fres­sern Platz gemacht haben und wenige globa­le Neophy­ten, Schwimm­far­ne und Killer­al­gen alle Diffe­ren­ziert­heit erstickt haben.

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Welche Maßnah­men unter­nimmt nun die vermeint­lich höchst entwi­ckel­te Art, die „Krone der Schöp­fung“, der Mensch, um dieser denk­ba­ren Kata­stro­phe entge­gen­zu­wir­ken? Was unter­nimmt die Poli­tik, um ihren eige­nen Zusam­men­bruch zu verhin­dern? Antwort: Sie unter­nimmt dazu nicht nur nichts, sondern das wenige, was sie unter­nimmt, stützt und beschleu­nigt die Fehl­ent­wick­lung noch, anstatt sie zu brem­sen. Das Muster ihrer Maßnah­men ist über­all das glei­che: der Anstieg der expo­nen­ti­el­len Geld­ver­meh­rung wird nicht gestoppt, sondern nach Kräf­ten bedient.

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Wie bei Süch­ti­gen wird die zu seiner Bedie­nung erfor­der­li­che Dosis immer größer. Poli­tik wird zur Beschaf­fungs­kri­mi­na­li­tät. Und die Beschaf­fung dieser immer größe­ren Dosen erfolgt nun keines­wegs dort, wo am meis­ten von der Droge Geld vorhan­den ist, sondern immer ausge­rech­net dort, wo ohne­hin am wenigs­ten vorhan­den ist: immer am unte­ren Ende der Einkom­mens- und Vermö­gens­ska­la. Nicht bei den leis­tungs­lo­sen Mega-Einkom­men, nicht bei den Mega-Konzer­nen, nicht bei den Unternehmens‑, Körper­schafts- und Vermö­gens­steu­ern, noch nicht einmal bei der Einkom­mens­steu­er, sondern stets bei der Lohn­steu­er, bei der Ökosteu­er, bei der neu hinzu erfun­de­nen Renten­steu­er, beim Arbeits­lo­sen­geld, bei den ABM-Maßnah­men, bei Fahr­prei­sen, Gebüh­ren, Gesund­heits­kos­ten und Neben­kos­ten, bei Allein­er­zie­hen­den, BAFÖG-Empfän­gern, Rent­nern und Arbeitslosen.

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Natur­zer­stö­rung und sozia­le Selbst­zer­stö­rung sind nur zwei Seiten ein und dersel­ben Medail­le: Der Bedie­nung der expo­nen­ti­el­len Geld­ver­meh­rung mit immer schlech­ter bezahl­ter Arbeit. Zum einen zu Lasten der Natur und zum ande­ren zu Lasten der Bevölkerungen.
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