Wirt­schaft­li­che Trieb­kräf­te von Rüs­tung und Krieg – Hel­mut Creutz

Wenn der Friede die Frucht der Gerech­tig­keit ist, dann ist der Konflikt, die krie­ge­ri­sche Ausein­an­der­set­zung, die Frucht der Unge­rech­tig­keit. Tatsäch­lich waren fast alle Kriege der letz­ten Jahr­hun­der­te Wirtschaftskriege. »
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Adolf Paster (Grün­der und Ehren­prä­si­dent der HIFA-Austria, „Die Zukunft beginnt jetzt“, in: Der Dritte Weg 792)
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Im Febru­ar 2001, als die letz­ten Ausein­an­der­set­zun­gen des Jugo­sla­wi­en­kriegs von 1991 bis 2001 befass­te sich Helmut Creutz einmal mehr mit den wirt­schaft­li­chen Zusam­men­hän­gen von Krieg und Frie­den. Diesen Text in gekürz­ter Fassung stel­len wir erneut bereit, weil er ange­sichts der derzei­ti­gen Entwick­lun­gen in Syrien, der Türkei, der Ukrai­ne und Russ­land nichts an Aktua­li­tät einge­büßt hat. Immer tiefer gera­ten wir in die Gefahr, selbst wieder in Kriege hinein­ge­zo­gen zu werden, inso­weit man davon nicht sogar heute schon spre­chen kann, wo deut­sche Solda­ten in vielen Krisen­her­den der Welt bereits zum Einsatz kommen.
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Einleitung
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Alle Kriege, zumin­dest in unse­ren Zeiten, sind letzt­lich als Wahn­sinn anzu­se­hen. Das gilt in einem ganz beson­de­ren Maße für jene auf dem Balkan, deren Voraus­sa­ge in den 80er Jahren und auch noch unmit­tel­bar nach der Wende in Mittel- und Osteu­ro­pa nur Kopf­schüt­teln ausge­löst hätte.
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Wie aber kommt es heute noch zu solchen barba­ri­schen Ausein­an­der­set­zun­gen in einer sich als zivi­li­siert bezeich­nen­den Welt? Wie kann es gesche­hen, dass Menschen, die über Jahr­zehn­te fried­lich zusam­men­ge­lebt haben, auf einmal einan­der Gewalt antun? Wie kam es zu jener mehr als zehn Jahre dauern­den jugo­sla­wi­schen Tragödie?
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Geht man diesen Fragen inten­si­ver nach, dann stellt sich heraus, dass dieses Blut­ver­gie­ßen keines­falls nur eine Folge der dorti­gen ethni­schen Gege­ben­hei­ten war. Auch mit der wech­sel­vol­len Geschich­te dieses Landes hat es nur bedingt zu tun.
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Viel­mehr hängt dies entschei­dend mit bestimm­ten ökono­mi­schen und mone­tä­ren Gege­ben­hei­ten und Fehl­ent­wick­lun­gen zusam­men, die auch in frühe­ren Zeiten und an ande­ren Orten zu Bürger­krie­gen oder grenz­über­schrei­ten­den gewalt­sa­men Ausein­an­der­set­zun­gen führten.
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Bevor wir uns mit diesen spezi­el­len Gege­ben­hei­ten in Jugo­sla­wi­en näher befas­sen, sollen darum einige Gedan­ken zu den ange­spro­che­nen wirt­schaft­li­chen Grün­den für Frie­den oder Krieg voraus­ge­schickt werden.
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Unge­rech­tig­keit und Unfrie­den in der Geschichte
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Soweit wir wissen, war das Auf und Ab der Kultu­ren und Epochen immer wieder von Krie­gen beglei­tet. Liest man manche Geschichts­bü­cher, dann scheint die Entwick­lung der Mensch­heit oft nur aus einer Kette von Krie­gen zu bestehen, von Krie­gen, bei denen es vor allem um die Erobe­rung von Land und Boden­schät­zen ging, um die Beherr­schung wich­ti­ger Handels­we­ge und ganzer Völker. Verständ­lich, dass die Huma­nis­ten und Aufklä­rer der begin­nen­den Neuzeit immer wieder die große Hoff­nung formu­lier­ten, dass fortan alle Menschen durch den tech­ni­schen Fort­schritt zu Wohl­stand gelan­gen und im „ewigen Frie­den“ (Kant) mitein­an­der leben könn­ten. Und die Klas­si­ker des Libe­ra­lis­mus entwi­ckel­ten die dazu passen­de Vorstel­lung von einem ökono­mi­schen Inter­es­sen­aus­gleich zwischen den Indi­vi­du­en auf freien Märk­ten. Bei ihrem Modell einer Markt­wirt­schaft versäum­ten Adam Smith und die ande­ren libe­ra­len Klas­si­ker aber darauf zu achten, dass allen Menschen der Boden und seine Schät­ze zu glei­chen Bedin­gun­gen zugäng­lich werden. Und indem sie das Geld als ein bloß neutra­les Tausch­mit­tel betrach­te­ten, über­sa­hen sie, dass mit dem Geld auch eine struk­tu­rel­le Macht verbun­den ist, die auf den Märk­ten die Menschen immer wieder in Ärmere und Reiche­re spaltet.
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Während sich aufgrund dieser Gege­ben­hei­ten in weni­gen Händen große Geld- und Sach­ka­pi­tal­ver­mö­gen akku­mu­lier­ten, vor allem durch die Wirkun­gen von Zins und Zinses­zins, entstand im 19. Jahr­hun­dert auf der ande­ren Seite ein armes Indus­trie­pro­le­ta­ri­at. Trotz viel­fäl­ti­ger tech­ni­scher Arbeits­er­leich­te­run­gen, die hundert Jahre vorher kaum vorstell­bar waren, kam es zu keiner allge­mei­nen Ausbrei­tung des neuzeit­li­chen Wohl­stands. Neben der wach­sen­den Kluft zwischen Reich­tum und Armut wieder­hol­ten sich immer wieder Krisen und Konjunk­tur­ein­brü­che, deren Folgen über­wie­gend von der Mehr­heit der abhän­gig Beschäf­tig­ten zu tragen waren.
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Zu solchen Einbrü­chen kam es vor allem dann, wenn sich während der Hoch­kon­junk­tur­pha­sen so viel Kapi­tal gebil­det hatte, dass sich infol­ge sinken­der Zinsen seine Verwer­tungs­mög­lich­kei­ten verschlech­ter­ten. Die Folge waren soge­nann­te Reini­gungs- oder Gesund­schrump­fungs­kri­sen, die zu einer parti­el­len oder brei­te­ren Vernich­tung von Kapi­tal bzw. zumin­dest einer deut­li­chen Unter­bre­chung der Kapi­tal­bil­dung führ­ten. Damit konn­ten die Zinsen wieder stei­gen und die Konjunk­tur­zy­klen von neuem begin­nen – bis zur nächs­ten Krise. Doch nicht nur durch die allge­mei­nen Wirt­schafts­kri­sen und zivi­len Kapi­tal­ver­nich­tun­gen wurde immer wieder Raum für neue Inves­ti­tio­nen und Geld­an­la­gen geschaf­fen, sondern auch durch markt­frem­de Güter­pro­duk­tio­nen wie vor allem die Rüstung und noch mehr natür­lich durch krie­ge­ri­sche Zerstörungen.
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Eine andere Möglich­keit, Raum für neue Inves­ti­tio­nen zu schaf­fen, war die Herr­schafts­aus­wei­tung der euro­päi­schen Länder auf die übrige Welt, vor allem im Zuge kolo­nia­ler Erobe­run­gen in Über­see, die gleich­zei­tig mit der Ausnut­zung billi­ger Rohstoff­quel­len und Arbeits­kräf­te sowie der Auswei­tung der Absatz- und Wachs­tums­märk­te verbun­den war. … 

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