Der stille Putsch – Buchrezension von Claus-Dieter Stille
— Buchrezension von Claus-Dieter Stille
— Dröhnende Panzer rollten. Strategisch wichtige Objekte wurden besetzt. So gingen Putsche gewöhnlich vonstatten. Jürgen Roth: „Heute geschieht der Umsturz geräuschlos.“ —
Spätestens die Finanzkrise hätte doch ein Alarmsignal auslösen müssen. Dafür, dass etwas gründlich falsch läuft. Nicht nur in Europa – vornehmlich in den Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien und Italien –, sondern auch im von vielen Medien und Politikern so hoch gelobten Deutschland. —
Im Würgegriff der „Diktatur des Finanzkapitalismus“ —
Ist denn niemandem aufgefallen, dass es auch in Deutschland immer mehr Menschen schlechter geht, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter geöffnet hat? Suppenküchen, die ich selbst zumindest nur aus den Geschichtsbüchern kannte, müssen – zunehmend seit Herstellung der Deutschen Einheit – von Jahr zu Jahr mehr bedürftige Menschen verköstigen. Sogenannte „Tafeln“ schießen wie Pilze aus dem Boden. Arme Menschen mit Hartz-IV-Bezug bzw. kleiner Rente können dort Lebensmittel kaufen, die der Handel den Tafeln spendet. Gut für diese Menschen. Aber wie kommt es, dass so etwas in einem so reichen Lande wie Deutschland nötig ist? —
Und ist es nicht eine Schande, dass in Vollzeit arbeitende Menschen so prekär bezahlt werden, dass sie zu
„Aufstockern“ werden und deshalb zusätzlich noch Hartz-IV beantragen müssen, um über die Runden zu kommen? —
Im eklatant krassen Gegensatz dazu wurden und werden in Deutschland in Größenordnungen Steuersenkungen für Konzerne und Vermögende ins Werk gesetzt. —
Eine „Diktatur des Finanzkapitalismus“ (Stéphane Hessel in „Empört euch“) hält Europa im Würgegriff. Die Regierungen wirken hilflos. Wie Marionetten zappeln sie an den Schnüren, die von Ratingagenturen und Banken bedient werden. Die Steuerzahler müssen Banken retten, die sich in ihrer Gier verspekuliert haben. —
Der Putsch, der schleichend kommt —
Dass es diese Interessen gibt, meint auch der Publizist Jürgen Roth. Sein neuestes, soeben bei Heyne erschienene Buch trägt den Titel „Der stille Putsch – Wie eine geheime Élite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt“. —
Wieder eine Verschwörungstheorie? Bestimmte Leute oder Medien werden das denken. Der investigative Journalist Jürgen Roth dürfte damit umgehen können. Ob er nun über die Mafia oder über „Gazprom – Das unheimliche Imperium“ schrieb oder andere heiße Eisen anfasste: Anfeindungen ist er gewohnt. Mit Gerichtsprozessen wurde er überzogen. Auch Gerhard Schröder, der „Genosse der Bosse“ ging gerichtlich gegen den Autor vor. —
Wer Roths neues Sachbuch liest, wird, je weiter er darin vorankommt, den Autor rasch von womöglich zuvor aufgekommenen Verdächten in Sachen „Verschwörungstheorie“ entlasten. Schließlich hat Roth für sein Buch gründlich recherchiert und ist auf viele Quellen gestoßen, die diesen „stillen Putsch“ belegen. Mag man diese nicht nur für die Demokratie schlimme Entwicklung nun so nennen wollen oder nicht. Indes, Roth schreibt dazu auf Seite 17 des Buches:
„Laut Duden ist der Putsch ein politischer Umsturz. Zumindest in Europa müssen Putsche nicht mehr von Militärs ausgeführt werden, den klassischen Marionetten bedrohter konservativ-reaktionärer Eliten, wie zum Beispiel in den Sechziger Jahren in Griechenland. Heute geschieht der Umsturz geräuschlos und schleichend, ohne dass dröhnende Panzer vor den Parlamenten und Fernsehstationen auffahren, ohne Soldateska, die Oppositionelle in finstere Kerker wirft und foltert.“
Schulden als „Erpressungsinstrument“ —
Jürgen Roth schildert, wie vor allem heute die Schulden der Staaten und der aufgebaute Druck diese abzubauen, den Effekt zur Folge haben, dass das „Prinzip Demokratie“ quasi überflüssig scheint. Dabei werde aber verschleiert, „Wer tatsächlich für diese Schulden verantwortlich ist, wer sie als Erpressungsinstrument funktionalisiert und wer davon profitiert, eben die nationale sowie die europäische Machtelite“ (…)
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