Das kapitalistische Geldsystem – Andreas Bangemann

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Eine Analy­se der Wech­sel­wir­kun­gen von Macht, Wissen und Medien

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Michel Foucaults Diskurs über Macht und Wissen und Tanja Gnosas Erwei­te­rung dieser Konzep­te um die Medien bieten einen frucht­ba­ren Rahmen für die Analy­se des kapi­ta­lis­ti­schen Geld­sys­tems. Gerade das auf Wachs­tum und Akku­mu­la­ti­on program­mier­te Geld­sys­tem zeigt exem­pla­risch, wie Macht, Wissen und Medien zusam­men­wir­ken, um gesell­schaft­li­che Normen zu formen und zu stabi­li­sie­ren. In diesem kurzen Essay werde ich zeigen, wie das kapi­ta­lis­ti­sche Geld­sys­tem durch diese drei Dimen­sio­nen konsti­tu­iert und aufrecht­erhal­ten wird.
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Macht und das Geldsystem
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Das kapi­ta­lis­ti­sche Geld­sys­tem ist ein prägnan­tes Beispiel für die von Foucault beschrie­be­ne produk­ti­ve Macht. Es schafft nicht nur ökono­mi­sche Struk­tu­ren, sondern auch sozia­le Hier­ar­chien und indi­vi­du­el­le Wahr­neh­mun­gen und Inter­pre­ta­tio­nen. Die Insti­tu­tio­nen des Finanz­sys­tems – Banken, Börsen, Zentral­ban­ken – sind zentra­le Orte der Macht, die Regeln und Normen setzen, die das Verhal­ten von Indi­vi­du­en und Unter­neh­men bestim­men: Regie­run­gen und Finanz­in­sti­tu­tio­nen steu­ern das Verhal­ten der Bevöl­ke­rung durch Geld- und Fiskal­po­li­tik. Zinsen, Steu­ern und Regu­lie­run­gen sind Mittel, um wirt­schaft­li­ches Verhal­ten zu lenken. Diese Mecha­nis­men erschei­nen oft neutral oder tech­nisch, sind aber tief in Macht­ver­hält­nis­se einge­bet­tet, die bestimm­te Inter­es­sen begüns­ti­gen und andere marginalisieren.
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Wissen und das Geldsystem
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Auch das Wissen über das Geld­sys­tem ist ein Produkt dieser Macht­ver­hält­nis­se. Ökono­mi­sche Theo­rien, Lehr­plä­ne an Univer­si­tä­ten und die Exper­ti­se von Ökono­men sind nicht neutral, sondern spie­geln die domi­nan­ten Diskur­se wider, die das kapi­ta­lis­ti­sche Geld­sys­tem legi­ti­mie­ren und stabi­li­sie­ren. Foucaults Begriff des „Wissens­ar­chivs“ ist hier beson­ders tref­fend: Die ökono­mi­schen Para­dig­men, die an Univer­si­tä­ten gelehrt werden und in den poli­ti­schen Entschei­dungs­gre­mi­en domi­nie­ren, sind Teil eines histo­ri­schen Archivs, das bestimm­te Wissens­for­men privi­le­giert. Es findet eine Verein­heit­li­chung der Wissens­pro­duk­ti­on statt.
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Beispiels­wei­se domi­niert an vielen Wirt­schafts­hoch­schu­len der Neoli­be­ra­lis­mus, der den freien Markt und die Dere­gu­lie­rung propa­giert. Dieses Wissen wird durch akade­mi­sche Insti­tu­tio­nen verbrei­tet und durch die Medien verstärkt. Die Vorstel­lung, dass Wirt­schafts­wachs­tum und Akku­mu­la­ti­on natür­li­cher­wei­se erstre­bens­wert sind, wird selten hinter­fragt, sondern als gege­ben hinge­nom­men. Diese „Wahr­heit“ wird durch ein Netz­werk von Exper­ten, poli­ti­schen Akteu­ren und Medi­en­pro­du­zen­ten aufrecht­erhal­ten und reproduziert.
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Medien und das Geldsystem
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Die Rolle der Medien im kapi­ta­lis­ti­schen Geld­sys­tem ist entschei­dend für das Verständ­nis der diskur­si­ven und macht­po­li­ti­schen Dimen­sio­nen. Medien fungie­ren als Dispo­si­ti­ve, die Infor­ma­tio­nen verbrei­ten und gleich­zei­tig die Wahr­neh­mung der Reali­tät prägen. Tanja Gnosa erwei­tert Foucaults Konzept, indem sie zeigt, wie Medien die Verbin­dung von Macht und Wissen verstär­ken. Medien berich­ten nicht nur über wirt­schaft­li­che Ereig­nis­se, sondern inter­pre­tie­ren und bewer­ten sie auch. Sie schaf­fen Narra­ti­ve, die bestimm­te wirt­schaft­li­che Prak­ti­ken und Ideo­lo­gien norma­li­sie­ren. So wird Wirt­schafts­wachs­tum häufig als Synonym für sozia­len Fort­schritt darge­stellt. Nega­ti­ve Aspek­te wie Umwelt­zer­stö­rung oder sozia­le Ungleich­heit werden margi­na­li­siert oder als notwen­di­ge Übel im Rahmen des „größe­ren Guten“ darge­stellt. Im Zusam­men­spiel von Macht, Wissen und Medien gelingt es sogar, aus diesen nega­ti­ven Aspek­ten die Forde­rung nach noch mehr Wachs­tum zu begrün­den. Tech­ni­sche Zukunfts­lö­sun­gen dienen der Symptom­be­kämp­fung und der Stei­ge­rung des Bruttosozialprodukts.
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Inter­de­pen­denz von Macht, Wissen und Medien
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Das Zusam­men­spiel von Macht, Wissen und Medien im kapi­ta­lis­ti­schen Geld­sys­tem zeigt sich beson­ders deut­lich in Krisen­zei­ten. Die Finanz­kri­se von 2008 ist ein prägnan­tes Beispiel: Die Bericht­erstat­tung der Medien, die Aussa­gen von Ökono­men und die poli­ti­schen Maßnah­men der Regie­run­gen waren eng mitein­an­der verknüpft. Es entstand ein Diskurs, der bestimm­te Erklä­run­gen und Lösun­gen privi­le­gier­te und andere ausschloss.

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Die Macht­struk­tu­ren in der Finanz­welt blie­ben weit­ge­hend unan­ge­tas­tet, während die Wissens­pro­duk­ti­on durch akade­mi­sche und media­le Diskur­se die Notwen­dig­keit von Rettungs­pa­ke­ten und Austeri­täts­po­li­tik propa­gier­te. Die Medien spiel­ten eine zentra­le Rolle dabei, diese Maßnah­men als alter­na­tiv­los darzu­stel­len und die öffent­li­che Meinung zu beeinflussen.

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Fazit 

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Das kapi­ta­lis­ti­sche Geld­sys­tem ist ein komple­xes Geflecht von Macht, Wissen und Medien, das zeigt, wie tief diese Dimen­sio­nen in der moder­nen Gesell­schaft mitein­an­der verwo­ben sind. Foucaults und Gnosas Analy­sen bieten wert­vol­le Werk­zeu­ge, um diese Verflech­tun­gen zu entwir­ren und zu verste­hen, wie sie Subjek­ti­vi­tät und sozia­le Normen prägen. Am Beispiel des Geld­sys­tems wird deut­lich, dass Macht nicht nur unter­drückt, sondern auch produ­ziert und norma­li­siert, und dass Wissen und Medien in diesem Prozess eine entschei­den­de Rolle spielen.
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