Nega­tiv­zin­sen erfor­dern eine Geld­um­lauf­si­che­rung – Hel­mut Creutz

In den Medien erreg­ten bereits vor Jahren die radi­ka­len Leit­zins-Absen­kun­gen auf und unter Null, vor allem der japa­ni­schen Zentral­bank, Aufse­hen in der Welt, neuer­dings auch die in Schwe­den oder der Schweiz. Doch seit Dezem­ber 2015 hat auch die Euro­päi­sche Zentral­bank (EZB) diese Null­gren­ze erreicht, wie aus der Darstel­lung 1 ersicht­lich. Ab Mitte 2014 für die frei­wil­li­gen Einla­gen der Banken, die meist nur über Nacht erfol­gen, sogar unter Null. Und bei den vorge­schrie­be­nen Zwangs-Einla­gen, welche die Banken im Verhält­nis zu ihren Kunden­ge­schäft bei der Zentral­bank halten müssen, eben­falls bereits Ende 2014 auf und seit Ende 2015 unter Null. Außer­dem sind die Abstän­de zwischen den Leit­zins-Sätzen der Zentral­bank, die über Jahr­zehn­te immer bei einem Prozent lagen, inzwi­schen deut­lich verrin­gert worden.
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1 Zur Funk­ti­on von Leitzinsen
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In der Wirt­schaft gibt es zwei Geld­kreis­läu­fe: Einmal den zwischen Zentral­ban­ken und Banken und zum ande­ren jenen zwischen Banken und den Nicht­ban­ken, häufig auch als „Publi­kum“ bezeich­net. Der erste Kreis­lauf dient der Geld­ver­sor­gung der Wirt­schaft, der zweite der Erspar­nis­bil­dung und über diese der Kredit­ver­sor­gung. Im ersten Fall geht es also vor allem um die Ausga­be von Geld und dessen Mengen­steue­rung, im zwei­ten um Fall um dessen Nutzung.
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Um die Menge des ausge­ge­be­nen Zentral­bank­gel­des (ZBG) laufend an die Notwen­dig­kei­ten der Wirt­schaft anzu­pas­sen, wird es norma­ler­wei­se nur für rela­tiv kurze Zeit­räu­me ausge­ge­ben. So hat z. B. die Deut­sche Bundes­bank, bzw. die EZB, bis ins Jahr 2007 rund zwei Prozent des ZBG jeweils nur für eine Woche ausge­lie­hen und den Rest für drei Monate. Durch diese kurz­fris­ti­gen Auslei­hun­gen haben die Zentral­ban­ken stän­dig die Möglich­keit, die Mengen- und Zins­kon­di­tio­nen zu verän­dern, um damit die Entwick­lun­gen auf den Geld­märk­ten und in der Wirt­schaft mit dem Ziel der Kauf­kraft­sta­bi­li­tät zu beein­flus­sen. Deshalb hat z.B. die EZB, zur weite­ren Abbrem­sung der Nach­fra­ge nach Zentral­bank­geld, auch den bereits seit Ende 2012 bei Null liegen­den Einla­gen­satz, Ende 2014 sogar ins Minus gesetzt. – Ein Novum, zumin­dest im Euro-Raum, das mit entspre­chen­der Aufmerk­sam­keit im Bereich der Banken und der Öffent­lich­keit beach­tet und disku­tiert wurde
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1.1 Die verschie­de­nen Leitzinssätze
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Zur Ausga­be und Steue­rung dieser Geld­be­stän­de benut­zen die Zentral­ban­ken im Allge­mei­nen drei Leit­zins­sät­ze. Der wich­tigs­te ist der Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz, zu dem jeweils das Geld an die Banken ausge­ge­ben wird. Bekannt­lich liegt dieser wich­tigs­te Leit­zins im Euro-Raum seit Dezem­ber 2015 bei 0 %. Wie aus der Darstel­lung 1 hervor­geht, war er Mitte 2008 noch kurz­zei­tig auf 4,25 % ange­ho­ben worden.
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Neben diesem Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz gibt es noch einen zwei­ten ZBG-Auslei­he­zins, den Spit­zen­re­fi­nan­zie­rungs­satz. Diesen müssen die Banken zahlen, wenn sie über die norma­len Zutei­lun­gen hinaus Zentral­bank­geld bean­spru­chen. Wie eben­falls aus der Darstel­lung ersicht­lich, liegt dieser Satz in der Regel ein Prozent über dem Haupt­satz, steigt also mit diesem auf und ab. Auf Grund dieses Zins-Aufschlags wird diese zweite Finan­zie­rungs­mög­lich­keit von den Banken jedoch nur in Notfäl­len in Anspruch genommen.
Im Gegen­satz zu den beiden Auslei­he-Zins­sät­zen ist der dritte Leit­zins – die so genann­te Einla­gen­fa­zi­li­tät – ein Gutha­ben­zins. Ihn erhal­ten die Banken, wenn sie auf diesem spezi­el­len Konto über­schüs­si­ge Zentral­bank­geld-Bestän­de parken. Das geschieht – wenn über­haupt – in norma­len Zeiten meist nur über Nacht und bezieht sich dann auf jene gerin­gen Über­schüs­se an ZBG, welche die Banken nicht bis Geschäfts­schluss auf dem Geld­markt unter­brin­gen konnten.
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Während jedoch diese Möglich­keit der Einzah­lun­gen auf den Einla­gen­kon­ten sonst kaum wahr­ge­nom­men bzw. möglichst vermie­den wurde, nahm das „Zwischen­par­ken“ bei der EZB jedoch – aufgrund der hohen den Banken gewähr­ten Liqui­di­täts­re­ser­ven – seit dem Sommer 2008 kurz­fris­tig fast explo­siv zu. So stie­gen diese Einla­gen z. B. in Deutsch­land, die in der Vergan­gen­heit meist nur bei 0,0 bis 0,5 Mrd. € lagen, im Novem­ber 2008 vorüber­ge­hend auf 89 Mrd. € an, um dann aller­dings bis Ende Juni 2009, auf Grund dieser radi­ka­len Leit­zins-Absen­kun­gen, wieder auf 15 Mrd. € und damit 1 % zurück zu fallen. Und so – wie aus der Grafik ersicht­lich – der Spit­zen­re­fi­nan­zie­rungs­satz im Allge­mei­nen ein Prozent über dem Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz ange­setzt wird, so der Einla­gen­satz norma­ler­wei­se ein Prozent darun­ter. – Eine Regel, die erst mit der Nähe­rung an die Null­gren­ze aufge­ge­ben wurde.
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1.2 Ein zusätz­li­cher Kostenfaktor
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Da die EZB den Haupt­re­fi­nan­zie­rungs­satz bereits 2009 unter 2 % abge­senkt und die Abstän­de zwischen den Sätzen verrin­gert hatte, kam es 2014 nun zum ersten Mal zu einem Einla­gen­zins­satz von minus 0,4 %, was für Schlag­zei­len und Diskus­sio­nen sorgte. Denn während die übli­chen posi­ti­ven Einla­gen­zin­sen der Zentral­bank für die Banken norma­ler­wei­se eine Entlas­tung bedeu­ten, ergab sich nun aus den nega­ti­ven Zins­sät­zen ein zusätz­li­cher Kosten­fak­tor! Die Folge war, dass die Geschäfts­ban­ken ihre über­schüs­si­gen Zentral­bank­geld-Reser­ven entwe­der auf das wirk­lich notwen­di­ge Maß redu­zier­ten oder – trotz evtl. Risi­ken – auf dem Geld­markt verstärkt an andere Banken weiter­ga­ben. Das heißt, die Auswir­kun­gen dieser Nega­tiv­zin­sen sind unter den gege­be­nen Umstän­den posi­tiv zu bewer­ten! Aller­dings müsste dieser Leit­zins – wie Mankiw unter Hinweis auf die Taylor-Regel bemerkt – noch weiter auf etwa minus 5 % sinken, um seine volle Wirk­sam­keit zu entfalten. 

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