Ist der Wandel wählbar? – Editorial

„„Mensch­li­che Eigen­schaf­ten wie Güte, Groß­zü­gig­keit, Offen­heit, Ehrlich­keit, Verständ­nis und Gefühl sind in unse­rer Gesell­schaft Sympto­me des Versa­gens. Nega­tiv besetz­te Charak­ter­zü­ge wie Geris­sen­heit, Habgier, Gewinn­sucht, Gemein­heit, Geltungs­be­dürf­nis und Egois­mus hinge­gen sind Merk­ma­le des Erfol­ges. Man bewun­dert die Quali­tä­ten der erste­ren und begehrt die Erträ­ge der letz­te­ren.“ John Stein­beck (1902–1968)“
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2017 – wieder ein Jahr mit einer Bundes­tags­wahl. Seit 2005 regiert Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel mit wech­seln­den Koali­ti­ons­part­nern. Man kann ihr und den jewei­li­gen Regie­run­gen zugu­te­hal­ten, dass sie viele innen- und welt­po­li­ti­schen Ereig­nis­se über­stan­den haben und ihre Sache in den Augen der Wähle­rin­nen und Wähler so gut mach­ten, dass es stets aufs Neue für den Macht­er­halt reich­te. Das deutet sich auch 2017 an. Man traut „der mäch­tigs­ten Frau der Welt“ mitt­ler­wei­le zu, dass sie die Heraus­for­de­run­gen der Zukunft meis­tern wird, wie unbe­kannt sie auch sein mögen. Poli­ti­sche Kräfte, die nach Verän­de­rung stre­ben und ihr durch den Charme des Neuen und des Wandels gefähr­lich werden könn­ten, gibt es in Deutsch­land nicht. Der welt­weit Urstän­de feiern­de Rechts­po­pu­lis­mus ist ein heißes Eisen, mit dem Demo­kra­ten umge­hen lernen müssen, um gesell­schaft­li­che Auswir­kun­gen im Zaum zu halten. Eine Kraft, die im Posi­ti­ven für Gerech­tig­keit, Nach­hal­tig­keit und Zukunfts­fä­hig­keit steht, kann niemand ernst­haft in diesen natio­na­lis­ti­schen Tenden­zen sehen. Allen­falls eine Protest­hal­tung, die sich aus der Unzu­frie­den­heit und der Angst brei­ter Bevöl­ke­rungs­schich­ten speist, die sich aussichts­los abge­hängt fühlen.
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Ein Mangel der deut­schen Demo­kra­tie ist zwei­fel­los, dass Partei­en mitt­ler­wei­le weiter von ihrem grund­ge­setz­li­chen Auftrag entfernt sind denn je. Sie wirken weni­ger bei der Willens­bil­dung des Volkes mit, als dass sie diese bestim­men. Erkenn­bar wird das an all jenen Themen, mit welchen sich viele Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen in der Hoff­nung befas­sen, dass man sich ihnen an entschei­den­der poli­ti­scher Stelle widmet. Doch sogar für Themen, bei denen das „sich widmen“ zutrifft, muss man eher von einem „verein­nah­men und kalt­stel­len“ reden, wie beispiels­wei­se bei Fragen zur Umwelt. Natio­nal und inter­na­tio­nal werden seit Jahr­zehn­ten Abkom­men mit zeit­lich in ferner Zukunft liegen­den Zielen geschlos­sen, deren fakti­sches Eintref­fen durch das Fest­hal­ten am unend­li­chen Wirt­schafts­wachs­tum schei­tern. Mehr als Bewun­de­rung und Lippen­be­kennt­nis­se für die im einlei­ten­den Zitat von John Stein­beck aufge­zähl­ten Eigen­schaf­ten gibt es in einer Welt nicht zu ernten, die eine Abkehr von Wachs­tum nicht in Erwä­gung zieht. Wissen­schaft­lern, wie dem Olden­bur­ger Niko Paech, der sich für eine „Post­wachs­tums­ge­sell­schaft“ einsetzt, entzieht man mit faden­schei­ni­ger Begrün­dung die Lehr­stüh­le an den Univer­si­tä­ten. Infor­mell, in akti­ven Grup­pen und bürger­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen wird an diesen Themen gear­bei­tet, doch um den Preis eines Kamp­fes gegen die Macht einer Wirt­schaft, samt der ihr gefü­gi­gen Poli­tik, die in Lippen­be­kennt­nis­sen Klima­zie­le postu­liert, die jedoch durch ein fakti­sches „Weiter-So“ niemals erreicht werden können.
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Wie kann der Wandel – die drin­gend erfor­der­li­che, grund­le­gen­de Erneue­rung – Einzug in die Poli­tik halten? Das dürfte die größte gesell­schaft­li­che Heraus­for­de­rung in nächs­ter Zeit sein.
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2017 hat eine neuge­grün­de­te Partei, genau­er gesagt ist es ein Bünd­nis, eine Mammut­auf­ga­be gestemmt und es geschafft, mit dem Sammeln von über 30.000 Unter­schrif­ten die bundes­wei­te Zulas­sung für die Bundes­tags­wahl zu errei­chen. Auf allen Wahl­zet­teln Deutsch­lands ist das „Bünd­nis Grund­ein­kom­men“ mit der Zweit­stim­me wähl­bar. Man kann zu dem Thema Grund­ein­kom­men unter­schied­li­cher Meinung sein, weil vieles daran frag­wür­dig und unaus­ge­go­ren erscheint. Aber es ist ein Aufschrei aus der Mitte jener abge­häng­ten Gesell­schaft, die nach Verän­de­rung strebt. Die Popu­la­ri­tät des Themas geht hier­zu­lan­de nicht zuletzt auf namhaf­te Persön­lich­kei­ten, wie den Unter­neh­mer Götz Werner zurück. Der Landes­vor­sit­zen­de aus Meck­len­burg-Vorpom­mern des „Bünd­nis Grund­ein­kom­men”, Kars­ten Behr, ziert unsere Titel­sei­te. Er dürfte für manche Leser kein Unbe­kann­ter sein, denn im Jahr 2012, dem 150. Geburts­jahr Silvio Gesells, zeich­ne­te er für ein Kunst­pro­jekt verant­wort­lich, das „Gesell­Schafft­Kunst“ hieß. Er verwan­del­te den Wald der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te in einen „Zauber­wald“, der auf künst­le­ri­sche Weise ein Thema der Natur, nämlich „Werden und Vergäng­lich­keit“ in einen Zusam­men­hang zu Fragen hinsicht­lich Wirt­schaft und Geld brachte.
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Heute lebt und arbei­tet Kars­ten Behr in Greifs­wald und sagt zu seiner „Partei­ar­beit“: „Bei der Befas­sung mit dem Grund­ein­kom­men geht es mir um weit mehr, als nur die Verän­de­rung auf dem Gebiet der sozia­len Siche­rung aller Mitglie­der unse­rer Gesell­schaft. Es geht um ein Verständ­nis dafür, dass wir die Erfolgs­ge­schich­te von Neoli­be­ra­lis­mus, Kapi­ta­lis­mus, Turbo­ka­pi­ta­lis­mus oder wie auch immer man jene die Welt­wirt­schaft domi­nie­ren­de Lehre nennen will, als das erken­nen, was es ist: Ein den Menschen und die Natur zerstö­ren­des System, dessen Erträ­ge mehr kaputt­ma­chen als sie Gutes bewir­ken. Wenn wir wollen, dass sich die posi­ti­ven Eigen­schaf­ten der Menschen entfal­ten können, brau­chen wir grund­le­gen­de Verän­de­run­gen. Das Grund­ein­kom­men ist ein Vehi­kel dafür und stellt die Frage: Wie wollen wir mitein­an­der leben?“
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Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann.
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