Frie­den unter Vor­be­halt – Editorial

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Kein Mensch wird auf die Frage: „Willst Du Krieg?“ ernst­haft mit „Ja!“ antwor­ten. Nichts­des­to­trotz herrscht an unzäh­li­gen Orten Krieg. In Europa war die Kriegs­ge­fahr seit dem Zwei­ten Welt­krieg nie größer als derzeit. In Deutsch­land ist die „Herr­sche­rin“ über den Kriegs­ap­pa­rat eine Frau mit 7 Kindern! Sie entsen­det Solda­tin­nen und Solda­ten – die Kinder besorg­ter Eltern – in Krisen­her­de auf der ganzen Welt. Sie unter­stützt die Poli­tik der NATO, die sich klamm­heim­lich von einem Vertei­di­gungs­bünd­nis zu einer Kriegs­ma­schi­ne entwi­ckel­te. Stän­dig drohte man Russ­land nach dem Zerfall der Sowjet­re­pu­bli­ken, es nicht wagen zu sollen, seinen mili­tä­ri­schen Einfluss auf die Staa­ten in Rich­tung Westen auszu­wei­ten. 1990 versprach die NATO dem Vater der Pere­stroi­ka, Michail Gorbat­schow, die NATO nicht Rich­tung Osten zu erwei­tern. Ein infa­mer Wort­bruch. Russ­land ist mitt­ler­wei­le von der NATO eingekesselt.
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Imma­nu­el Kant, der große deut­sche Philo­soph, erklär­te in seiner Alters­schrift „Zum ewigen Frie­den“ (1795!):
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„Stehen­de Heere soll­ten mit der Zeit ganz aufhö­ren. Denn sie bedro­hen andere Staa­ten unauf­hör­lich mit Krieg durch die Bereit­schaft, immer dazu gerüs­tet zu erschei­nen; reizen diese an, sich einan­der in Menge der Gerüs­te­ten, die keine Gren­zen kennt, zu über­tref­fen, und indem durch die darauf verwand­ten Kosten der Friede endlich noch drücken­der wird als ein kurzer Krieg, so sind sie selbst Ursa­che von Angriffskriegen…“
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Kants Ziel lag in einem öffent­lich-recht­lich gesi­cher­ten Frie­den. 320 Jahre später sind wir sowohl im Land der Dich­ter und Denker, als auch über­all sonst auf der Welt davon weiter entfernt denn je. Aber warum? Warum geschieht tagtäg­lich aufs Neue das Grau­sa­me, das kein Mensch haben will? Trotz vorhan­de­ner Souve­rä­ni­tät jedes einzel­nen Staa­tes, zieht man sich in verant­wort­li­chen poli­ti­schen Krei­sen auf eine zwar willi­ge, angeb­lich jedoch von außen erzwun­ge­ne Haltung zurück. Der böse Feind lässt den Frie­den nicht zu, infol­ge­des­sen müssen wir rüsten und weiter auf stehen­de Heere setzen.
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Nur zöger­lich wird die Kriegs­ma­schi­ne in Verbin­dung mit ande­ren Belan­gen gebracht, die ganz offen­sicht­lich Einfluss auf die Willens­kraft zum Frie­den haben: die Wirt­schaft vor allen Dingen. Wirt­schaft­li­che Bezie­hun­gen haben sich mitt­ler­wei­le global verselbst­stän­digt. Die Souve­rä­ni­tät von Staa­ten wird hinsicht­lich der Gestalt­bar­keit von ökono­mi­schen Prozes­sen auf dem Welt­markt mehr und mehr aufge­löst. Dort herr­schen eigene Geset­ze. Das bezieht sich natür­lich vor allem auf die welt­um­span­nend agie­ren­den Konzer­ne, die derzeit dabei sind, sich endgül­tig von Unwäg­bar­kei­ten natio­nal­staat­li­cher Regle­ments zu lösen. CETA und TTIP erlau­ben die Stan­dards des »freien« Welt­markts, über­wacht von dubio­sen, durch allmäch­ti­ge Unter­neh­men einge­setz­te Schieds­ge­rich­te, höher als natio­na­le öffent­lich-recht­li­che Geset­ze zu stel­len. Über derlei „Handels­ab­kom­men“ wird Konzer­nen Tür und Tor geöff­net, wie Diebes- und Pira­ten­ban­den die leis­tungs­schwa­chen und unbe­darf­ten Länder und ihre Bürger noch dreis­ter auszu­rau­ben, als das aufgrund ihrer Kapi­tal­macht ohne­hin längst der Fall ist.
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Doch wie hängt die Wirt­schaft, spezi­ell die globa­le, mit der bzw. den Kriegs­ma­schi­nen zusammen?
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Helmut Creutz zeigt in dieser Ausga­be eindrucks­voll, was die Trieb­kräf­te für Rüstung und Krieg nährt. Verständ­lich wird dabei, weshalb diese so klaren Erkennt­nis­se, nicht zu nennens­wer­ten poli­ti­schen Reak­tio­nen führen. Die Verqui­ckung von Poli­tik und Kapi­tal ist derma­ßen allmäch­tig und alles durch­drin­gend, dass keine aktu­el­le, noch so wider­stands­fä­hi­ge Demo­kra­tie damit fertig zu werden scheint. Und das obwohl über­all der Wille zum Frie­den herrscht. Bedarf es eines auffäl­li­ge­ren Bewei­ses dafür, dass das wirk­li­che Problem auf einer ande­ren Ebene liegt? Das Problem ist das Kapi­tal, das in dem herr­schen­den Wirt­schafts­ge­fü­ge auf Gedeih und Verderb bedient werden muss. Nicht weil es etwas leis­tet, sondern weil das nun mal so ist! Hat man aber die Uner­sätt­lich­keit des Kapi­tals und seiner zerstö­re­ri­schen Kraft der Akku­mu­la­ti­on und Ungleich­ver­tei­lung erst einmal als den Kern allen Übels erkannt, dann ist das Problem kein „Hinder­nis“ mehr auf dem Weg zu einem notwen­dig zu voll­zie­hen­den Wandel. Das Problem birgt alsdann die Über­win­dung des Hindernisses.
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Wenn es seit Kant in drei­hun­dert Jahren nicht gelun­gen ist, zum „Ewigen Frie­den“ zu gelan­gen, wir ihn statt­des­sen immer noch unter Vorbe­hal­te stel­len müssen, die sich dem gesun­den Menschen­ver­stand nicht erschlie­ßen, ist es an der Zeit, dem alter­na­ti­ven Blick auf das Geld­sys­tem, wie Helmut Creutz ihn einfor­dert, eine Chance zu geben.
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Für mich persön­lich gibt es keinen ande­ren Weg zum Frie­den als den über eine gerech­te Geld- und Bodenordnung.
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Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann 

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