Warum muss die Wirtschaft wachsen? – Ein Kommentar von Wilhelm Schmülling

Beitrags­bild: © Herbert Walter Krick / pixelio.de

Warum muss die Wirt­schaft wachsen?

Oder: Die hölli­sche Angst vor der Deflation
Ein Kommen­tar von Wilhelm Schmülling



Krisen über Krisen gilt es zu bewäl­ti­gen. Die Flücht­lings­kri­se domi­niert alle ande­ren, obgleich sie nur Teil der Proble­me ist. Die Irak-Krise, Grie­chen­land, die Verschul­dung vieler Staa­ten, auch Deutsch­lands, treten in den Hinter­grund, schließ­lich die Poli­tik der Euro­päi­schen Zentral­bank (EZB). Sie müsste im Focus stehen – ohne die Hilfe für Flücht­lin­ge zu redu­zie­ren – denn die Geld­ver­sor­gung der „Märkte“ entschei­det über Infla­ti­on und Defla­ti­on und somit über die Konjunk­tur und Steu­er­ein­gän­ge in der EU. Wenn dann nur nicht das Verhal­ten der Verbrau­cher und Kapi­tal­be­sit­zer wäre, die die Erwar­tun­gen der EZB durchkreuzen.



Das Geld­flu­ten durch die EZB nimmt kein Ende. Milli­ar­den­be­trä­ge wurden monat­lich in den Markt gedrückt. Mit dem Geld sollte die Konjunk­tur ange­kur­belt werden, denn bei größe­ren Umsät­zen stei­gen auch die Preise. Sie können zumin­dest gehal­ten werden. Doch das Ziel der EZB, eine Infla­ti­ons­ra­te von 2 % anzu­pei­len, konnte nicht erreicht werden, weil das Geld nicht bei den Verbrau­chern ankommt, sondern zur Speku­la­ti­on im Kapi­tal­markt verwen­det wurde.



„Wachs­tum, Wachs­tum, Wachs­tum“ wurde allseits zur Parole, gar zum Mantra der Ersatz­re­li­gi­on Kapi­ta­lis­mus. In dieser Wirt­schafts­ord­nung wird nur dann inves­tiert, wenn eine Rendi­te als gesi­chert gilt, kein Profit, kein Geld.



Zudem haben Bundes­ban­ker eine hölli­sche Angst vor der Defla­ti­on, die dann entsteht, wenn sich der Geld­kreis­lauf verlang­samt oder gar unter­bro­chen wird. Thesau­ri­e­rung von bisher Nach­fra­ge halten­dem Geld nennen das die Ökono­men. Deut­li­cher gesagt: Das Geld wird gehor­tet. Womit wir bei dem Grund­übel der Geld­ord­nung ange­kom­men sind. Unsere Geld­ord­nung ermög­licht eine nahezu kosten­freie Hortung von Geld zu Speku­la­ti­ons­zwe­cken. Jeden­falls wird dieses Geld nicht zur Waren­pro­duk­ti­on einge­setzt. Folge­rich­tig erstre­ben die Human­wirt­schaft­ler ein „flie­ßen­des Geld“, eine „Halte­ge­bühr auf Geld“, womit Geld­zu­rück­hal­tung Kosten verur­sacht, die jeder Geld­be­sit­zer vermei­den möchte. Das Geld fließt dann in die Realwirtschaft.



Für sozia­le Projek­te, Kinder­gär­ten, Schu­len usw. – alles was keine Rendi­te abwirft – steht im Kapi­ta­lis­mus kein Geld mehr zur Verfü­gung, es verrot­ten Stra­ßen und Gebäu­de. Zudem gerät das gesam­te Sozi­al­sys­tem in die Krise, was bei den Renten deut­lich wird. Schon sinkt die Alters­ren­te, die kaum noch zum Leben reicht. Schon kommen die selbst­fi­nan­zier­ten Zusatz­ren­ten in die Kritik, wie die „Ries­ter-Rente“. Die Poli­ti­ker wissen das und versu­chen gegen­zu­steu­ern, predi­gen Wachs­tum und begrü­ßen die Geld­flut durch die EZB. Alles vergeblich.



Die Unter­neh­men reagie­ren stra­te­gisch auf drohen­de Umsatz­ver­lus­te, versu­chen die Kosten zu senken und mit neuen Produk­ten die Kauf­lust zu stei­gern. „Inno­va­tio­nen und Ästhe­ti­sie­rung“ (Pat Christ) sollen für Umsatz­stei­ge­rung sorgen. Das mag eine Zeit lang gelin­gen, geht aber bei Perso­nal­ab­bau massiv zu Lasten der Arbeitnehmer.



Was ist demnach für eine humane Wirt­schaft zu tun?


Wie am Modell des volks­wirt­schaft­li­chen Kreis­laufs gezeigt wird, steht einer bestimm­ten Menge produ­zier­ter Waren und Dienst­leis­tun­gen eine entspre­chen­de Geld­men­ge gegen­über, die dafür sorgt, dass der Markt geräumt wird. Wird diese Geld­men­ge von der EZB ohne Anpas­sung an die Produk­ti­ons­men­ge (Brutto-Inlands­pro­dukt) erhöht, entsteht eine Infla­ti­on (stei­gen­de Preise). Wird sie verrin­gert, entsteht eine Defla­ti­on (sinken­de Preise).



Wie bei der Welt­wirt­schafts­kri­se besteht auch heute die Gefahr, dass Produk­ti­ons­fir­men bei sinken­den Prei­sen (Defla­ti­on) in Schwie­rig­kei­ten gera­ten und deshalb Mitar­bei­ter entlas­sen müssen, bis schließ­lich die gesam­te Wirt­schaft von der Krise erfasst wird.



Human­wirt­schaft­ler fordern daher die Rück­füh­rung bzw. das Verblei­ben der Über­schüs­se (Gewin­ne) in der Real­wirt­schaft als eine Voraus­set­zung für die Schlie­ßung des volks­wirt­schaft­li­chen Kreis­laufs und bilden damit die Grund­la­ge des vollen Arbeits­er­tra­ges für die Produ­zen­ten (Unter­neh­mer und Mitar­bei­ter). Dadurch wird genü­gend Geld für Sozi­al­leis­tun­gen zur Verfü­gung stehen. Ebenso werden bisher unren­ta­ble Inves­ti­tio­nen, wie Stra­ßen, Schu­len usw. finan­zier­bar, denn bei Voll­be­schäf­ti­gung stei­gen die Steuereinnahmen. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare werden moderiert. Es kann etwas dauern, bis dein Kommentar angezeigt wird.