Die Kraft der Stille – Editorial

Jeden Mitt­woch, mitt­ler­wei­le auch an weite­ren Tagen, tref­fen sich tatkräf­ti­ge Leute mit dem Willen, einen neuen Lern­ort zu gestal­ten. Bei den Zusam­men­künf­ten entwi­ckeln die Mitwir­ken­den »Ritua­le«. Derart vermeint­li­che Klei­nig­kei­ten, wie eine Minute der Stille am Anfang oder mitten in hekti­scher werden­den Diskus­sio­nen. Oder eine »Befind­lich­keits­run­de«, in der zu Beginn jeder – völlig unab­hän­gig vom Anlass der Sitzung – sagen darf, was ihn zurzeit inner­lich bewegt. Es ist ein über­ra­schen­des Erleb­nis, wie Stille verbin­den kann. Es ist faszi­nie­rend, wie befrei­end Räume sein können, in denen Leere einen Platz bekommt. Ein Gefühl der Dank­bar­keit entsteht, ohne dass man erklä­ren könnte, warum das so ist.



Ich erschaf­fe diese Zeit­schrift jetzt seit 10 Jahren in Zusam­men­ar­beit mit einem groß­ar­ti­gen Team. Als ich im Januar 2006 begann, hätte ich nicht gedacht, dass ich soviel Freude daran haben würde, Ideen Aufmerk­sam­keit zu verschaf­fen, die an ande­rer Stelle kaum Erwäh­nung finden. Wie erfolg­reich wir mit unse­rer Arbeit waren, liegt im Auge des Betrach­ters. Entstan­den ist ein Netz­werk, an wert­vol­len Persönlichkeiten.



Entstan­den sind auch so erfül­len­de Projek­te, wie der »Lern­ort Wupper­tal«, den Sie in dieser Ausga­be von Dr. Holger Kreft beschrie­ben finden. Die Kompo­si­ti­on aus Inter­es­sen, Talen­ten und mensch­li­chen Begeg­nun­gen der vergan­ge­nen Jahre, führ­ten zu dem Konzert, welches heute meine Umge­bung erfüllt. Ohne all die Menschen, die mich dabei beglei­te­ten und festig­ten, wäre das nicht möglich gewesen.



Es ist mir daher ein Bedürf­nis, in diesem Edito­ri­al einmal herz­lich Dank zu sagen.



Danke, liebe Leser für Ihre Treue und Ihre aktive Unterstützung.



Danke, liebe Autoren für Ihr Mitwir­ken durch heraus­ra­gen­de Beiträge.



Danke an unsere flei­ßi­gen Mitar­bei­ter und unse­ren Heraus­ge­ber Wilhelm Schmül­l­ing, ohne deren Hilfe nichts so wäre, wie es ist.



Danke an die vielen Betei­lig­ten beim Aufbau der zukunfts­wei­sen­den Bildungseinrichtung.



Danke an meine Fami­lie, die mich so groß­ar­tig unterstützt.



Blei­ben Sie uns gewo­gen. In der nahen­den Zeit zum Jahres­en­de empfeh­le ich als Geschenk Stille. Der begna­de­te chile­ni­sche Dich­ter Pablo Neruda schrieb dazu die schöne Anlei­tung „Still sein“ die Sie nach­fol­gend lesen können.



Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann



Still sein



Wir werden jetzt bis zwölf zählen.

Und dann alle ganz still sein.

Einmal nur wollen wir alle

Nicht in unse­ren vielen Spra­chen sprechen,

Nur für eine Sekun­de völlig ruhig sein,

Und nicht so viel mit unse­ren Händen spielen.




Es wäre ein unge­wohn­ter Augenblick,

Ohne Hektik, ohne den Lärm von Maschi­nen und Mündern.

In einem einzi­gen Augenblick

Wären wir alle von einer plötz­li­chen Befan­gen­heit befallen.




Die Fischer auf den kalten Meeren

Würden keine Wale töten.

Und der Arbei­ter in der Saline

Würde seine geschun­de­nen Hände wahrnehmen.




Jene, die Schreib­tisch­krie­ge führen,

Jene, die mit Feuer­waf­fen Krieg führen,

Die Siege ohne Über­le­ben­de vorbereiten,

Würden saube­re Klei­der anlegen

Und zusam­men mit ihren Brüdern

Im Schat­ten lust­wan­deln und nichts tun.




Was mir da vorschwebt möge niemand

Mit völli­ger Passi­vi­tät verwechseln.

Die Rede ist vom Leben;

Ich will nicht in den Spuren des Todes wandeln.




Wären wir nicht so einseitig

Auf dauern­de Geschäf­tig­keit eingestellt,

Um den vermeint­li­chen Schwung

In unse­rem Leben aufrechtzuerhalten,

Könn­ten wir nur einmal wirk­lich „nichts“ tun,

Viel­leicht würde eine gewal­ti­ge Stille

Diese unsere Trau­rig­keit unterbrechen;

Die Trau­rig­keit darüber,

Dass wir uns nicht verstehen

Und uns mit dem Tod bedrohen.

Viel­leicht kann die Erde uns lehren,

Dass es den Tod gar nicht gibt,

Wenn alles tot zu sein scheint,

Und sich später zeigt, dass nichts tot ist.




Und nun werde ich bis zwölf zählen

Und Ihr werdet ganz still sein,

Und ich werde hinausgehen.




– Pablo Neruda –“

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