Die Sehnsucht nach dem Weltfrieden – Kommentar von A. Bangemann

Die Sehn­sucht nach dem Weltfrieden
Kommen­tar von Andre­as Bangemann

Diffu­se Ängste trei­ben immer mehr Menschen auf die Straße. In Dres­den demons­trier­ten 15.000 unter einer frag­wür­di­gen Flagge in bewusst verord­ne­ter Fried­lich­keit. Die damit verbun­de­ne Botschaft geht tiefer als die plaka­tiv vorge­scho­be­ne „Isla­mi­sie­rung des Abend­lan­des“. Den poli­ti­schen Kräf­ten fehlt es an der nöti­gen Sensi­bi­li­tät für das Wider­stän­di­ge, was zur Folge haben kann, dass sich die Aufleh­nung steigert.

Der Natio­na­lis­mus in Europa hat besorg­nis­er­re­gen­de Ausma­ße ange­nom­men. Statt der Befas­sung mit den Ursa­chen belas­sen es viele Medien und Poli­ti­ker bei Beschimp­fun­gen und Belei­di­gun­gen in Rich­tung der Betei­lig­ten an den Demons­tra­tio­nen. Das gilt in Bezug auf PEGIDA, wie auch für die vielen seit Mona­ten laufen­den soge­nann­ten Montags-Frie­dens­de­mons­tra­tio­nen. Man redu­ziert die hinter­grün­di­ge Proble­ma­tik auf Initia­to­ren, auftre­ten­de Künst­ler oder Refe­ren­ten, als stünde dahin­ter eine Orga­ni­sa­ti­on, deren Ziele aus Statu­ten hervor­ge­hen. Ziele, denen alle­samt Rechts­las­tig­keit oder zumin­dest die Türöff­nung dort­hin unter­stellt wird. Dass die Orga­ni­sa­to­ren nur die zufäl­li­gen Bereit­stel­ler eines Kessels sind, der das Ventil zum Dampf­ab­las­sen vorhält, wird nicht in Betracht gezo­gen. Das kann sich rächen, und sei es in wach­sen­dem Wähler­zu­spruch für die Partei­en, die jetzt vorge­ben, Verständ­nis für den Unmut und den Zorn der Menschen zu haben. Diese Kräfte fischen am rech­ten Rand und reprä­sen­tie­ren im Grunde mehr Rück­schritt als Fort­schritt. Dabei errei­chen sie Bürge­rin­nen und Bürger, die sich von der etablier­ten Poli­tik nicht verstan­den fühlen.

Eine in die Irre gehen­de, gehetz­te Welt spült große Teile der Bevöl­ke­rung an den Rand der Gesell­schaft. Die Ursa­chen dafür liegen ganz gewiss nicht in Wande­rungs­be­we­gun­gen oder reli­giö­sen Macht­an­sprü­chen. Ein Unmaß an Reich­tum trifft auf gras­sie­ren­de Armut, mit unkon­trol­lier­ba­ren Folgen. Der Kapi­ta­lis­mus zwingt nicht die Arbei­ter zur Mobi­li­tät, sondern die Arbeits­plät­ze. Das erzeugt Sozi­al­ver­wüs­tung bei den Einen, ohne die Ande­ren reicher zu machen. Reicher werden die Weni­gen, deren Kapi­tal Mobi­li­tät in Nano­se­kun­den­ge­schwin­dig­keit voll­füh­ren kann.

Die Exis­tenz­ängs­te brechen in einem Sozi­al­staat wie Deutsch­land lang­sa­mer als anders­wo ihre Bahn. Beglei­tet von einem wach­sen­den Gefühl der Nutz­lo­sig­keit für die Gesell­schaft. Bei den Arbeits­lo­sen, Hartz-IV-lern, Prak­ti­kan­ten oder in Maßnah­men Abge­scho­be­nen genau­so, wie bei in unter­be­zahl­ten Jobs Befind­li­chen. Bei den ins Abseits Gestell­ten, genügt der von einem Straf­fäl­li­gen geschaf­fe­ne Raum (Dres­den), um einen kollek­ti­ven Impuls auszu­lö­sen, der der gefühl­ten Unsi­cher­heit und der Verzweif­lung zum Ausbruch verhilft. Die Dichte des Ortes, das Zusam­men­sein mit „Leidens­ge­nos­sen“ und das Gefühl der Macht der Masse erfüllt eine subti­le Sehn­sucht der mit ihren Ängs­ten Allein­ge­las­se­nen. Wer nicht will, dass dieser aktive Sozi­al­vul­kan ausbricht, muss der Ursa­che auf den Grund gehen. Und zwar der wahren Ursa­che. Into­le­ranz, wie sie von den Verängs­tig­ten – ob bewusst oder unbe­wusst – signa­li­siert werden, dürfen nicht mit Into­le­ranz beant­wor­tet werden. Wenn zu der Spal­tung von Reich und Arm die Ausgren­zung von Leuten hinzu­kommt, die man ober­fläch­lich dem „rech­ten Rand“ zuord­net, haben wir es mit einer gefähr­li­chen Gemenge­la­ge zu tun.

Die Flücht­lin­ge, die jetzt aus den Krisen­ge­bie­ten zu uns kommen, genie­ßen gemäß der „Allge­mei­nen Erklä­rung der Menschen­rech­te“ Asyl, über­all auf der Welt, auch in Europa und auch in Deutsch­land. Das die Flücht­lings­be­we­gun­gen beglei­ten­de Chaos spült auch Menschen zu uns, deren Asyl­grün­de frag­wür­dig sind. Doch das darf nicht unsere Verant­wor­tung gegen­über den heimat­los Gewor­de­nen beeinträchtigen.

Die Über­le­bens­angst der Flie­hen­den trifft hier­zu­lan­de auf die laten­te Exis­tenz­angst der Ausge­grenz­ten und an den Rand der Gesell­schaft Gedrück­ten. Für Erste­re ist ein Dach über dem Kopf und ein Mindest­maß an Gast­freund­schaft lebens­ret­tend, für Letz­te­re eine Über­win­dung der Ungleich­heit, samt der dazu­ge­hö­ri­gen Unge­rech­tig­keit. Das eine ist eine „Brand­maß­nah­me“, die sofor­ti­gen Einsatz erfor­dert. Das andere ist ein auf länge­re Zeit ange­leg­tes Projekt, das heute zweck­mä­ßi­ge Signa­le nötig hat.

Unsere führen­den Köpfe sind jetzt aufge­ru­fen, die Into­le­ranz gegen die fried­li­chen, vermeint­lich Into­le­ran­ten zu been­den und Wege für eine Zukunft zu finden, die die Spal­tung der Gesell­schaft umkehrt. Es bedarf der Annä­he­rung an die Ande­ren, indem man die Sicht von Soli­da­ri­tät in der Welt im Auge behält und danach handelt. Das Leben braucht alle Farben. Eine bunte Viel­falt des Verschie­den­ar­ti­gen macht uns auf beson­de­re Weise reicher.

Das Anders­ar­ti­ge schwarz zu malen und mit Ängs­ten zu bele­gen, kommt der Suche nach der schwar­zen Katze im dunk­len Raum gleich. Konfu­zi­us hielt das für die schwers­te Aufga­be, insbe­son­de­re, wenn gar keine schwar­ze Katze da ist.

Die Mächte der Unter­drü­ckung sind in den Syste­men unse­rer Wirt­schaft zu suchen. Dort voll­zieht sich die Spal­tung, die Ausgangs­punkt aller Ängste ist. Dort finden wir die Lösung für den Weltfrieden. 

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