John Maynard Keynes und Willem Buiter über Silvio Gesell – Redaktion

John Maynard Keynes
über Silvio Gesell

„Trotz des prophe­ti­schen Schmu­ckes, mit den ihm seine Vereh­rer ausge­stat­tet haben, ist Gesells Haupt­werk in kühler, wissen­schaft­li­cher Spra­che geschrie­ben, obschon es durch­weg von einer leiden­schaft­li­che­ren, erreg­te­ren Hinge­bung für die gesell­schaft­li­che Gerech­tig­keit durch­strömt ist, als manche für einen Gelehr­ten schick­lich finden.

Der Zweck des Buches als Ganzes kann als die Aufstel­lung eines anti­mar­xis­ti­schen Sozia­lis­mus beschrie­ben werden, eine Reak­ti­on gegen das Lais­sez-Faire, auf theo­re­ti­sche Grund­la­gen aufge­baut, die von jenen von Marx grund­ver­schie­den sind, indem sie sich auf eine Verwer­fung, statt auf eine Annah­me der klas­si­schen Hypo­the­sen stüt­zen, und auf eine Entfes­se­lung des Wett­be­wer­bes, statt auf seine Abschaffung.

Ich glaube, dass die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird. Das Vorwort zu „Die Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung durch Frei­land und Frei­geld“ wird dem Leser, wenn er es nach­schlägt, die mora­li­sche Höhe Gesells zeigen. Die Antwort auf den Marxis­mus ist nach meiner Ansicht auf den Linien dieses Vorworts zu finden.“ (…) 

„Er legt dar, dass die Vermeh­rung von Real­ka­pi­tal durch den Geld­zins­fuß aufge­hal­ten wird, und dass, wenn dieses Hemm­nis besei­tigt würde, die Vermeh­rung von Real­ka­pi­tal in der moder­nen Welt so rasch sein würde, dass ein Null­geld­zins­fuß wahr­schein­lich zwar nicht sofort, aber doch inner­halb einer verhält­nis­mä­ßig kurzen Zeit gerecht­fer­tigt sein würde.

Die Haupt­not­wen­dig­keit ist somit eine Senkung des Zins­fu­ßes, und dies, hebt er hervor, kann dadurch erreicht werden, dass man veran­lasst, dass das Geld Durch­hal­te­kos­ten bedingt, genau wie andere Vorrä­te unpro­duk­ti­ver Güter.

Dies führte ihn zu dem berühm­ten Vorschlag von „gestem­pel­tem“ Geld, mit dem sein Name haupt­säch­lich in Zusam­men­hang gebracht wird, und der die Zustim­mung von Profes­sor Irving Fisher erhal­ten hat. Nach diesem Vorschlag würden Bank­no­ten (obschon es sich offen­bar zumin­dest auch auf einige Formen von Bank­geld bezie­hen müsste) ihren Wert nur bewah­ren, wenn sie jeden Monat, ähnlich wie eine Versi­che­rungs­kar­te mit auf dem Post­bü­ro gekauf­ten Marken gestem­pelt würden. Der Preis der Marken könnte natür­lich auf jeder ange­mes­se­nen Höhe fest­ge­setzt werden. Nach meiner Theo­rie sollte er unge­fähr gleich dem Über­schuss des Geld­zins­fu­ßes (von den Marken abge­se­hen) über dieje­ni­ge Grenz­leis­tungs­fä­hig­keit des Kapi­tals sein, die einer Rate der Neuin­ves­ti­ti­on entspricht, die mit Voll­be­schäf­ti­gung verein­bar ist. (…) Der hinter dem gestem­pel­ten Geld liegen­de Gedan­ke ist gesund.“

Zitate aus Willem Buiter „In eine besse­re Zukunft mit nega­ti­ven Zinsen“ ins Deut­sche über­setzt von Robert Mittel-
staedt, HUMANE WIRTSCHAFT 04/2009

„Bargeld besteu­ern
Das ist Silvio Gesells Vorschlag, der von Irving Fisher unterstützt wurde und erneut in die Poli­tik- Diskus­si­on gebracht wurde von Marvin Good­fri­end, mir selbst und Niko­la­os Panigirtzoglou.
Bei diesem Vorschlag ist die wich­tigs­te Aufga­be, den Geld­hal­ter dazu zu bewe­gen, die nega­ti­ven Zinsen an die Zentral­bank zu bezah­len. Wenn Bank­no­ten eine Ausga­be­da­tum aufge­druckt haben, wie es bei den meis­ten der Fall ist, ist es sehr leicht, ein Ablauf­da­tum für diese Bank­no­ten bekannt zu geben, ab welchem sie ihre Eigen­schaft als gesetz­li­ches Zahlungs­mit­tel verlie­ren. Der Geld­hal­ter würde diesen Total­ver­lust durch Zahlung der Zinsen vor dem Ablauf­da­tum verhin­dern können und die Bank­no­te würde gestem­pelt oder in irgend­ei­ner Form markiert werden, um die Zahlung zu belegen.“ (…)

„Es würde kein Gut der Wertauf­be­wah­rung geben, das über die mit nega­ti­ven Zinsen belas­te­ten Anla­gen domi­nie­ren könnte. Banken könnten noch immer Geld verdie­nen – das hängt nämlich nicht von der Höhe der Zins­ra­te ab, sondern von der Diffe­renz zwischen Kredit­zins und Anla­ge­ver­zin­sung. Wenn eine Bank sich von der Zentral­bank Geld zu Minus 5 % leiht und es zu Minus 2 % als Kredit weiter gibt, dann ist der Gewinn genau so hoch, wie wenn die Bank sich das Geld für 5 % gelie­hen und zu 8 % weiter verlie­hen hätte. Wie können Menschen im Alter von ihren Erspar­nis­sen leben, wenn es nega­ti­ve nomi­na­le Zins­ra­ten gibt? Überprüfen Sie zunächst, was reale Zins­ra­ten sind. Falls die Defla­ti­on stark genug ist, können Sparer noch immer einen guten Schnitt machen, auch bei nega­ti­ven nomi­na­len Zins­ra­ten. Wenn die realen Zins­ra­ten nega­tiv sind, dann lebt man von seinem Kapi­tal (der Substanz). Falls das für manche ein Absturz in die Armut darstel­len sollte und sich deshalb sozia­le Proble­me zeig­ten, dann gehen Sie zu Ihrem Finanz­amt oder dem für Sozia­les zuständigen Minis­ter. Aber belästigen Sie damit nicht die Zentralbank.“ (…)

„Die Entfer­nung der unte­ren Null­gren­ze bei nomi­na­len Zins­ra­ten wäre eine wert­vol­le Ergänzung des Poli­tik-Arse­nals der Zentralbanken.“ (…)

„Ich verste­he wirk­lich nicht, warum Zentral­ban­ken die Optio­nen zur Entfer­nung der unte­ren Null­gren­ze nicht aggres­siv verfolgen.“

Willem Hendrik Buiter, derzeit Chef­öko­nom der Citigroup, New York; ehema­lig Profes­sor für Europäische Wirt­schafts­po­li­tik an der London School of Econo­mics and Poli­ti­cal Science; früherer Chef‑Ökonom beim EBRD (Europäische Bank für Wieder­auf­bau und Entwick­lung), früheres exter­nes Mitglied des MPC (Mone­ta­ry Policy Commi­tee der Bank von England); Bera­ter von inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen, Regie­run­gen, Noten­ban­ken und priva­ten Finanz-Institutionen. 

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