„Das Geld für die Zinsen fehlt in der Wirtschaft!“ – Helmut Creutz

Ähnlich wie das Unge­heu­er von Loch Ness, taucht auch diese Vermu­tung in den Diskus­sio­nen übers Geld immer wieder einmal auf. Begrün­det wird sie meist damit, dass ja die Schuld­ner nur die Kredit­sum­me gelie­hen und damit kein Geld zur Verfü­gung haben, um darüber hinaus auch noch Zinsen zu zahlen. Selbst von Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern wird das manch­mal mit dem Beispiel einer Insel vermit­telt, auf der es bisher nur einen Güter­aus­tausch gab, bis ein Frem­der erschien und den Bewoh­nern eine bestimm­te Menge an Metall­stü­cken als Zahlungs­mit­tel zur Verfü­gung stell­te. – Denn diese Geschich­te hatte den Haken, dass der Fremde diese ausge­lie­he­nen Zahlungs­mit­tel nach einem Jahr zurück haben wollte, aller­dings mit einem Aufschlag von drei Prozent, als Beloh­nung für seine Hilfe. – Da jedoch die Insel­be­woh­ner die ihnen gelie­he­nen Zahlungs­mit­tel zwar verwen­den aber nicht vermeh­ren konn­ten, war diese Forde­rung höchst fatal und die Nicht­er­fül­lung unaus­weich­lich vorprogrammiert.

Was stimmt an diesem Beispiel nicht? 

Würden unsere Noten­ban­ken am Ende des Jahres – das Bargeld aus der Wirt­schaft zurück­zie­hen und zusätz­lich einige Prozen­te als Leih­ge­bühr verlan­gen, dann würde es ihnen ähnlich erge­hen wie auf der Insel. In Wirk­lich­keit fordert aber keine Noten­bank auf der Welt am Jahres­en­de das ganze Geld zurück, das sie den Banken – und über diese der Wirt­schaft – zur Verfü­gung gestellt hat! Selbst wenn sie ab und zu die ausge­lie­he­nen Geld­be­stän­de redu­ziert, z. B. zur Beein­flus­sung der Zinsen auf den Märk­ten oder der Vorbeu­gung infla­tio­nä­rer Entwick­lun­gen, hat das für das Funk­tio­nie­ren unse­rer Geld­sys­te­me keine direk­te Auswir­kung. Denn bei diesen ganzen Vorgän­gen in Sachen Geld handelt es sich immer um zwei getrenn­te Kreis­läu­fe, wie aus der Darstel­lung 1 ersicht­lich wird. Dabei gibt der linke Kreis­lauf die Bezie­hun­gen zwischen der Zentral­bank und den Geschäfts­ban­ken wieder, die der Geld­ver­sor­gung der Wirt­schaft dienen, während der rechte größe­re Kreis­lauf für die Bezie­hun­gen zwischen den Banken und der Wirt­schaft und damit für die Gutha­ben-Bildun­gen und Kredit­ver­ga­ben mit diesem Geld stehen.

Abge­se­hen vom Bargeld, das von den Zentral­ban­ken über die Banken in die Wirt­schaft gelangt, bilden die Vorgän­ge zwischen Banken und der Wirt­schaft im rech­ten Kreis­lauf einen eige­nen in sich geschlos­se­nen Kreis­lauf, der sich aus den stän­dig wieder­hol­ba­ren Verwen­dun­gen des Geldes für Erspar­nis­bil­dun­gen und den daraus resul­tie­ren­den Möglich­kei­ten der Banken zu Kredit­ver­ga­ben ergibt. Der linke Kreis­lauf gibt dage­gen wieder, in welchem Umfang das Zentral­bank­geld den Banken – im Allge­mei­nen dosiert und gegen Hinter­le­gung von Sicher­hei­ten – über­las­sen wird. 

Abge­se­hen von der Erst­aus­stat­tung beim Eintausch von Reichs­mark gegen DM 1948, sowie dem Umtausch der DM in den Euro 2001, müssen die Bürger dieses Geld im Normal­fall durch Leis­tungs­ein­brin­gun­gen in der Wirt­schaft erwer­ben. Soweit nicht ausge­ge­ben oder gehor­tet, kann es für Erspar­nis­bil­dun­gen genutzt und zu immer größe­ren Geld­ver­mö­gens­be­stän­den ausge­baut werden, ähnlich wie auch bei den mit Geld erwor­be­nen lang­le­bi­gen Sach­ver­mö­gen. Und bei den durch­weg in Banken ange­leg­ten Geld­ver­mö­gen kommt es sogar noch zu einer stän­di­gen auto­ma­ti­schen Vermeh­rung durch die Zinsen, die den Einle­gern von den Banken für die Geld­über­las­sung gutge­schrie­ben werden! Da jedoch – wie bei der Insel – weder die Bürger noch die Banken diese Geld­ver­meh­rung aus dem Nichts vorneh­men können, werden diese an die Sparer zu zahlen­den Zinsen bei jenen abkas­siert, die sich bei den Banken Geld auslei­hen. – Kurz: Diese rätsel­haf­ten an die Banken flie­ßen­den Zinsen müssen von den Kredit­neh­mern über zusätz­li­che Arbeits­leis­tun­gen erwirt­schaf­tet werden, so wie das auch bei dem Insel­bei­spiel erfor­der­lich gewe­sen wäre.

Das bedeu­tet: Zu einem Ausgleich der Zins­zah­lun­gen kommt es entwe­der durch eine Verar­mung der Zins­zah­ler oder – wenn diese das vermei­den wollen – durch eine Stei­ge­rung ihrer Leis­tun­gen. Und das heißt wieder­um: Jede Gesell­schaft, in der die Mehr­heit der Zins­zah­ler durch die zuneh­men­den Vermö­gen, Schul­den und Zins­strö­me nicht verar­men soll, muss ihre Leis­tun­gen entspre­chend stei­gern, was sich dann als so genann­tes Wirtschaftswachstum
statis­tisch niederschlägt.
Kurz gesagt: Der Zins zwingt alle Volks­wirt­schaf­ten zum Wachs­tum, wenn die sozia­len Span­nun­gen nicht uner­träg­lich werden sollen!

Das heißt, im Normal­fall muss es also, zur Lösung dieses Problems und wenn die Kauf­kraft stabil blei­ben soll, zu stän­di­gen Auswei­tun­gen sowohl der Geld­men­ge als auch der Wirt­schafts­leis­tung kommen.

Das glei­che gilt auch für die Zins­zah­lun­gen, welche die Banken für die Geld­be­reit­stel­lung laufend an die Noten­ban­ken abfüh­ren müssen. Diese verrin­gern zwar jeweils die Zentral­bank­geld-Gutha­ben der Banken, können aber durch Erhö­hung der gewähr­ten Zentral­bank­geld-Kredi­te wieder ausge­gli­chen werden. Doch selbst wenn das nicht der Fall wäre, käme es zu keiner Verrin­ge­rung der gesam­ten Geld­be­stän­de in der Wirt­schaft. Denn die von der Zentral­bank erwirt­schaf­te­ten Über­schüs­se flie­ßen – soweit nicht im Rahmen ihrer Aufga­ben einge­setzt – als Gewinn an den Staat, der sie, um sie flüs­sig zu machen, als Zentral­bank­geld-Gutha­ben bei den Geschäfts­ban­ken einbringt, womit die Menge des umlau­fen­den Geldes wieder ausge­gli­chen ist.

Ein Geld­man­gel­pro­blem ergäbe sich nur dann, wenn die Zentral- oder Noten­bank das mit den gezahl­ten Zinsen zurück erhal­te­ne Geld jeweils aus dem Kreis­lauf heraus­zie­hen und still­le­gen würde. Dies ist z. B., in den 70er und 80er Jahren, von der Bundes­bank über Anhe­bung der Mindest­re­ser­ven bewusst prak­ti­ziert worden, vor allem um die über­zo­ge­nen Geld­men­gen abzu­bau­en, die sich – über die Dollar­an­käu­fe zur Stüt­zung der fest­ge­leg­ten Wech­sel­kur­se – erge­ben hatten. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare werden moderiert. Es kann etwas dauern, bis dein Kommentar angezeigt wird.