Was Einzelne bewegen können – Pat Christ

Die Jahres­fei­er 2016 stand unter dem Motto: „Mit gutem Gefühl schnel­ler gegen die Wand“
Dass es nicht rich­tig glatt läuft, ist weit­hin spür­bar. Doch wer oder was ist dafür verant­wort­lich? Die Frage wird gern ausge­blen­det. Mehr noch: Sie ruft oft Wider­stand hervor. So wird im Klei­nen herum­ge­dok­tert, statt das große Ganze des Systems unter die Lupe zu nehmen. „In“ ist es aktu­ell zum Beispiel, die eigene Orga­ni­sa­ti­on weiter­zu­ent­wi­ckeln. Dadurch verbes­sert sich auch oft etwas im Klei­nen. Das Knir­schen im Gebälk des großen Ganzen jedoch wird so nicht leiser.
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Vor dem Hinter­grund dieser Erkennt­nis stand die Jahres­fei­er der HUMANEN WIRTSCHAFT im Novem­ber in der Wupper­ta­ler Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te unter dem provo­ka­ti­ven Titel: „Mit gutem Gefühl schnel­ler gegen die Wand“. Wofür die „Wand“ steht, blieb bewusst offen. „Das kann ein Crash sein oder auch Schlim­me­res“, so Andre­as Bange­mann, Chef­re­dak­teur der HUMANEN WIRTSCHAFT. Gewiss scheint: Die „Wand“ wird immer näher­kom­men, sollte sich nicht endlich etwas grund­le­gend ändern. – - – 

Ist es als Indi­vi­du­um möglich, zumin­dest eine kleine „grund­le­gen­de“ Verän­de­rung im Feld des Wirt­schaf­tens zu bewir­ken? Ja!, zeigte Uwe Lübber­mann, Grün­der der Koope­ra­ti­ve rund um die Marke „Premi­um Cola“, bereits 2013 bei der Jahres­fei­er unter dem Motto „Entschei­dend ist die Tat“ auf. Drei Jahre später schaff­te er es neuer­lich, Mut machen­des High­light einer Jahres­fei­er zu werden.
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Bei Premi­um Cola wird in allen Unter­neh­mens­be­rei­chen komplett anders agiert als in herkömm­li­chen Wirt­schafts­be­trie­ben. So exis­tiert zum Beispiel mit keinem einzi­gen der 1.700 gewerb­li­chen Part­ner ein schrift­li­cher Vertrag. „Wir müssen unsere Part­ner demnach so behan­deln, dass sie frei­wil­lig blei­ben“, erklär­te Lübber­mann. Jede und jeder inner­halb des Unter­neh­mens-Netz­werks ist voll und ganz gleich­wer­tig: „Ich habe als Grün­dungs-Unter­neh­mer nicht mehr mitzu­be­stim­men als andere“. Entschei­dun­gen werden per Konsens­de­mo­kra­tie gefällt, was bedeu­tet, dass alle Wünsche und Bedürf­nis­se so lange gegen­ein­an­der abge­wo­gen werden, bis eine Entschei­dung für alle akzep­ta­bel ist.
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Drei Notentscheidungen
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Selten nur kommt Lübber­mann in die Lage, eine Notent­schei­dung tref­fen zu müssen, weil das Nicht­ent­schei­den sonst gravie­ren­de Konse­quen­zen für das Unter­neh­men hätte. Drei­mal passier­te dies bisher in 15 Jahren: „Es gibt damit im Durch­schnitt nur alle fünf Jahre eine Geschäfts­füh­rer­ent­schei­dung.“ Ledig­lich zwei­mal in der 15-jähri­gen Firmen­ge­schich­te muss­ten Mitar­bei­ter entlas­sen werden, weil ihr Verhal­ten grob schä­di­gend für das Gesamt­un­ter­neh­men war.
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Für alle Teil­neh­mer, denen das Geträn­ke­kol­lek­tiv noch unbe­kannt war, erzähl­te Lübber­mann, wie er durch puren Zufall Unter­neh­mer wurde. Im Dezem­ber 1999 fiel ihm in der Bade­wan­ne auf, dass sein Lieb­lings­ge­tränk Afri-Cola plötz­lich anders schmeck­te: „Aber auf der Flasche stand nicht, dass die Rezep­tur geän­dert wurde.“ Es entspann sich ein zwei­jäh­ri­ger Dialog mit dem Unter­neh­men. Lübber­mann beharr­te darauf, dass er als Kunde das Recht habe, infor­miert zu werden, wenn Afri-Cola sein Getränk verän­dert. Der Konzern aller­dings sah dies nicht ein.
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Irgend­wann hatte es keinen Sinn mehr zu disku­tie­ren. Lübber­mann begann darauf­hin, selbst Cola nach dem alten Afri-Cola-Rezept herzu­stel­len und an seine Freun­de zu verschi­cken. Weil die ganz begeis­tert waren, stieg er in die Cola-Produk­ti­on ein. Lange Zeit neben seinem Brot­er­werbs­job: Erst nach sieben­ein­halb Jahren verdien­te er das erste Geld. Ein Jahr später, als sich das Unter­neh­men trug, kündig­te Lübber­mann seinen letz­ten festen Job. Heute ist der Hambur­ger nicht nur Unter­neh­mer, sondern auch Bera­ter für nach­hal­ti­ges Unter­neh­mens­ma­nage­ment: „Wie das alles gekom­men ist, kann ich manch­mal selbst gar nicht glauben.“
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Es ist anders möglich
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Uwe Lübber­mann ist nicht der einzi­ge Unter­neh­mer, der es geschafft hat, grund­le­gend anders zu wirt­schaf­ten. In seinem Buch „Reinven­ting Orga­niza­ti­ons“ stellt Frede­ric Laloux viele weite­re Beispie­le vor. Thomas Wilh­arm vom Lern­ort Wupper­tal präsen­tier­te das Werk. Dabei ging es vor allem um die Frage, was alter­na­ti­ve Unter­neh­men anders machen: „Vor allem die Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ist radi­kal anders als bei konven­tio­nel­len Betrie­ben.“ Es gibt keine Hier­ar­chien. Gear­bei­tet wird in selbst­or­ga­ni­sier­ten Teams. Entschei­dun­gen werden unter ande­rem mit den Metho­den der Sozio­kra­tie oder des syste­mi­schen Konsen­sie­rens getrof­fen. Auf Konflikt­lö­sung wird großen Wert gelegt. … 

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