Vor­be­rei­tung auf die „Stunde null“ – Sieg­fried Wendt

1. Die aktu­el­le Situation 

Die meis­ten Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler plädie­ren zurzeit noch für das Beibe­hal­ten der aktu­el­len Wirt­schafts­ord­nung, wobei zwei unter­schied­li­che Begrün­dun­gen vorge­bracht werden. Entwe­der wird behaup­tet, die jetzt noch vorhan­de­nen Übel würden im Laufe der Weiter­ent­wick­lung dieser Wirt­schafts­ord­nung verschwin­den, oder aber es wird die Meinung vertre­ten, man müsse die Übel hinneh­men, denn sie könn­ten nur vermie­den werden, indem man zu einer deut­lich schlech­te­ren Wirt­schafts­ord­nung über­geht, nämlich zur Plan­wirt­schaft à la DDR. Dane­ben gibt es aber Kriti­ker, zu denen auch ich gehöre, die behaup­ten, die Aufrecht­erhal­tung der aktu­el­len Wirt­schafts­ord­nung liege nur im Inter­es­se einer klei­nen Minder­heit und es gebe durch­aus eine Alter­na­ti­ve, die nicht die Mängel der DDR-Ordnung hat. Es ist jedoch nicht möglich, die derzei­ti­gen Übel nach­ein­an­der zu elimi­nie­ren, indem jeweils einzel­ne Regeln geän­dert werden. Denn die Ursa­chen dieser Übel bilden ein so dicht zusam­men­hän­gen­des Netz, dass sie sich nur durch eine völli­ge Neuge­stal­tung der Wirt­schafts­ord­nung elimi­nie­ren lassen. Da nun aber die jahr­zehn­te­lan­ge Nutzung der jetzi­gen Wirt­schafts­ord­nung zu einer unüber­schau­ba­ren Fülle von Abhän­gig­kei­ten geführt hat, ist eine völli­ge Neuge­stal­tung nur möglich, wenn sie als Befrei­ung aus einem Chaos erlebt wird. Ein solches Chaos wird meines Erach­tens zwangs­läu­fig eintre­ten, denn die aktu­el­le Wirt­schafts­ord­nung hat so viele gravie­ren­de Mängel, dass sie trotz aller Anstren­gun­gen ihrer Nutz­nie­ßer und Vertei­di­ger nicht mehr viele Jahr­zehn­te bestehen blei­ben kann. Sie trägt die Bedin­gun­gen ihres eige­nen Zusam­men­bruchs und damit die Chance eines Neube­ginns zu einer „Stunde null“ in sich.

2. Die Chance kommt
mit dem Zusammenbruch 

Bezüg­lich dieses Zusam­men­bruchs sehe ich eine Analo­gie. Nach­dem sich der inhu­ma­ne Natio­nal­so­zia­lis­mus einmal in Deutsch­land etabliert hatte, gab es keine Möglich­keit mehr, ihn durch eine Folge von Verbes­se­rungs­schrit­ten in ein huma­nes, poli­ti­sches System zu über­füh­ren. Er trug aber die Bedin­gun­gen seines eige­nen Zusam­men­bruchs in sich, und diesen Zusam­men­bruch habe ich noch persön­lich erlebt. Dieser Zusam­men­bruch brach­te zwangs­läu­fig viel Chaos und mensch­li­ches Leid, aber er brach­te uns auch die Chance eines Neube­ginns. Und einen solchen Neube­ginn wird es eines Tages auch für die Wirt­schafts­ord­nung geben. Aller­dings garan­tiert der Zusam­men­bruch eines unge­lieb­ten Systems nicht zwangs­läu­fig die Etablie­rung eines besse­ren Systems. Dass auf das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche System nach dem Zusam­men­bruch tatsäch­lich ein sehr viel besse­res System folgte, verdan­ken wir der Tatsa­che, dass der Zusam­men­bruch nicht das Ergeb­nis einer Revo­lu­ti­on war, sondern von außen herbei­ge­führt wurde, so dass es keine Revo­lu­tio­nä­re gab, die sich um die Macht hätten strei­ten können. Aus dem Kreis der Gegner des alten Systems, die auf die Chance eines Neube­ginns gehofft und sich recht­zei­tig auf die Stunde null vorbe­rei­tet hatten, konn­ten damals die Gremi­en besetzt werden, deren Mitglie­der die grund­le­gen­den Regeln für den Neube­ginn formu­lie­ren soll­ten. Viel­leicht wird man, wenn die derzei­ti­ge Wirt­schafts­ord­nung zusam­men­ge­bro­chen ist, wieder nach Leuten suchen, denen man zutrau­en kann, die Regeln für das neue System zu formu­lie­ren. Und das können nur Leute sein, die sich recht­zei­tig auf den Neube­ginn vorbe­rei­tet haben, indem sie entwe­der selbst Beiträ­ge zu einem Regel­werk gelie­fert haben, das sie für geeig­net halten, die bishe­ri­ge Wirt­schafts­ord­nung abzu­lö­sen, oder indem sie sich mit dem Schrift­tum vertraut gemacht haben, worin solche Beiträ­ge zu finden sind. … 

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