Leserbriefe 04/2015

Flucht vor der Verantwortung

Ihr Titel­bild stammt ja wohl von der Poli­ti­ker-Demons­tra­ti­on der „Einig­keit gegen den Terror“ in Paris, bei der die Würden­trä­ger in einer Neben­stra­ße aufge­stellt zum Zwecke der Propa­gan­da posier­ten. Abge­se­hen davon, dass die Umstän­de des Anschlags auf die Redak­ti­on des kriti­schen Blat­tes von „Char­lie Hebdo“ fatal an den 119 in den USA erin­nern, wo so schnell bekannt war, wer die „gesuch­ten“ Atten­tä­ter seien, weil sie nämlich gleich­lau­tend ihren Perso­nal-Ausweis im Flucht­fahr­zeug „verga­ßen“. Man hat sie dann, um unnö­ti­ge Umstän­de zu vermei­den, gleich auf der Flucht erschos­sen, weil es ja klar war, dass nur sie es waren, die den Anschlag ausüb­ten. Also, die Verant­wor­tung für die desas­trö­sen Zustän­de im Nahen Osten und in Nord­afri­ka sind viel weiter zurück liegend zu suchen, als gemein­hin ange­nom­men wird. Zu diesem Thema lohnt es sich ein Buch zu lesen:
Andre­as von Bülow: „Die deut­schen Kata­stro­phen 1914 bis 1918 und 1933 bis 1945 im Großen Spiel der Mächte“

Dort wird beschrie­ben, wie in der Folge des ersten Welt­krie­ges bei der anschlie­ßen­den Vertei­lung der „Beute“ insbe­son­de­re Groß­bri­tan­ni­en die ganzen Länder schuf, die heute so große Schwie­rig­kei­ten machen. Es ging um das zerschla­ge­ne Kaiser­reich Öster­reich-Ungarn, um das zerfal­len­de osma­ni­sche Reich und um das revo­lu­tio­nier­te Russ­land. In diesen Ländern wurden Völker­schaf­ten unter­schied­li­chen Glau­bens und Herkunft zusam­men­ge­presst, wodurch der Grund für stän­di­ge innere Macht­kämp­fe gelegt wurde, in die man dann Einfluss nehmend „befrie­dend“ eingrei­fen konnte. Dazu gesell­ten sich die zur ersten Welt­macht aufge­stie­ge­nen USA, die das Erbe vom United King­dom ange­tre­ten haben. Erst durch die Kennt­nis des histo­ri­schen Werde­gangs kann man die Ursa­chen verste­hen und wird sie nicht nur in den aktu­el­len Kapi­tal-Inter­es­sen suchen, die aller­dings schon von Anbe­ginn mit von der Partie waren. Staat und Kapi­tal sind heute so eng mitein­an­der verwo­ben wie einst die Kirche mit dem Staat. Erst eine strik­te Tren­nung dieser Berei­che kann die Voraus­set­zung für fried­li­che Lösun­gen brin­gen, wozu auch die Entflech­tung geis­ti­ger Beherr­schun­gen gehört, welche sich mit der staat­li­chen Macht verbünden.

Gerade hier zeigt sich, wie aktu­ell die Glie­de­rungs-Idee Stei­ners für die sozia­len Struk­tu­ren ist, wodurch die drei Berei­che Geis­tes­le­ben, Staats­le­ben und Wirt­schafts­le­ben in strik­ter Selbst­stän­dig­keit gehal­ten werden und jedes für seinen Bereich die Verant­wor­tung über­nimmt. Es ist ähnlich wich­tig, wie die nirgends durch­ge­führ­te Gewal­ten­tei­lung in den von Partei­en beherrsch­ten „Demo­kra­tien“, diese Glie­de­rung ernst zu nehmen. Sie ist eben keine Ideo­lo­gie, sondern die Beschrei­bung von Geset­zen, die Orga­nis­men eigen sind, und deren Nicht­be­ach­tung zu ähnli­chen Kata­stro­phen führen, wie die Nicht­be­ach­tung einer Unwucht in einer Maschi­ne. Letz­te­re fliegt einem dann bei hohen Geschwin­dig­kei­ten um die Ohren. Bei Staa­ten, die als Krüp­pel geschaf­fen worden sind, sind die Effek­te ähnlich: Sie flie­gen uns eben auch um die Ohren. Nur sind die Folgen um ein Millio­nen­fa­ches größer verbun­den mit unend­li­chem Leid.

Sie nennen Ihre Betrach­tung „Flucht vor der Verant­wor­tung.“ Wenn es da etwas gäbe, dem man sich durch die Flucht entzie­hen könnte. Sie ist und war nie vorhan­den, die Verant­wor­tung, sondern es herrsch­te immer die orga­ni­sier­te Verant­wor­tungs­lo­sig­keit, je höher ange­sie­delt, umso perfekter.

Gerhar­dus Lang, Bad Boll

Zu Wofgang Berger „Der kälte­re Krieg hat begon­nen“, HUMANE WIRTSCHAFT 02/2015

Wert­vol­le Publi­ka­tio­nen landen bei mir häufig zunächst in einem meist prall gefüll­ten „Puffer­spei­cher“, bis ich die Zeit finde, mich ihnen zuzu­wen­den. Schön, dass bedruck­tes Papier belie­big lange warten kann.

In der März-April-Ausga­be kam mir der Autor Wolf­gang Berger vor Augen. Mit seinem Beitrag „Der kälte­re Krieg hat begon­nen“ hat sich die HUMANE WIRTSCHAFT ein noch uner­mess­li­ches Verdienst erwor­ben. Durch die Veröf­fent­li­chung einer poli­ti­schen Welt­sicht, die buch­stäb­lich Ursa­chen für einen zu befürch­ten­den Welt­un­ter­gang beschrei­ben könnte.

Gott­fried Hilscher, Murnau 

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