Kon­zerne an die Macht – CETA, TTIP und TiSA – Wolf­gang Berger

CETA, TTIP und TiSA – Rolle rück­wärts von der Demo­kra­tie zum Feudalismus?
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Frei­han­del und offene Gren­zen für den Waren­aus­tausch sind segens­rei­che Einrich­tun­gen. Der Klas­si­ker der Natio­nal­öko­no­mie David Ricar­do (1771–1823) hat die Vortei­le an einem einfa­chen Beispiel aufge­zeigt: Die Portu­gie­sen produ­zie­ren guten Wein und die Englän­der gute Wolle. Ohne Handel könn­ten die Englän­der keinen Wein trin­ken und die Portu­gie­sen müss­ten im Winter frie­ren. Freier Handel erlaubt es jedem Volk das zu produ­zie­ren, was es gut kann und gegen das zu tauschen, was andere besser können.
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Abkom­men, die heute endlich alle Hinder­nis­se für freien Handel aus dem Weg räumen, soll­ten deshalb von allen begrüßt werden. Erstaun­lich ist aber nun, dass in jahre­lan­gen gehei­men Verhand­lun­gen vier Abkom­men ausge­han­delt worden sind und noch vorbe­rei­tet werden, deren Text (in einem Fall) sogar fünf Jahre lang nach Inkraft­tre­ten des Abkom­mens nicht bekannt gege­ben werden darf. Selbst Parla­men­ta­ri­er erfah­ren nur bruch­stück­haft, worum es im Grunde geht. Diese Verträ­ge werden uns in einer raffi­nier­ten Reihen­fol­ge präsentiert:
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Das erste ist das Compre­hen­si­ve Econo­mic and Trade Agree­ment (CETA) zwischen Kanada und der Euro­päi­schen Union (EU). Zuerst ist CETA zu Ende verhan­delt worden. Im Septem­ber 2014 haben der dama­li­ge EU-Kommis­si­ons­prä­si­dent Manuel Barro­so und der dama­li­ge kana­di­sche Premier­mi­nis­ter Stephen Harper das unter­schrie­ben. Es ist noch nicht in Kraft, weil die Parla­men­te auf beiden Seiten des Atlan­tiks noch nicht zuge­stimmt haben. Der 1.634 Seiten starke Vertrag ist den 28 EU-Staa­ten zur Rati­fi­zie­rung zuge­lei­tet worden. Kanada hat in Europa einen guten Ruf.
Im Febru­ar 2016 haben zwölf Anrai­ner­staa­ten des Pazi­fiks in Auck­land, Neusee­land, das Abkom­men für eine Trans-Paci­fic Part­ner­ship (TPP) unter­zeich­net. Sieben Jahre ist darüber verhan­delt worden und die verein­bar­ten Rege­lun­gen sind sehr ähnlich wie die von CETA. Es fasst die beiden dyna­mischs­ten und zukunfts­träch­tigs­ten Regio­nen der Welt zusam­men und verla­gert den Mittel­punkt der moder­nen Welt vom Atlan­tik in den Pazifik.
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Als nächs­tes wird die Trans­at­lan­tic Trade and Invest­ment Part­ner­ship (TTIP) zwischen den USA und der EU nach­ge­scho­ben, über die seit 2013 verhan­delt und neuer­dings auch gestrit­ten wird. Es gibt eigent­lich keinen Grund, den USA nicht auch das zuzu­ge­ste­hen, was mit Kanada schon verein­bart ist und Pazi­fik­an­rai­ner mit ihnen auch verein­bart haben. CETA ist ohne­hin die „Blau­pau­se“ für die noch gewich­ti­ge­re Verein­ba­rung zwischen den USA und der EU. Viele neue Rege­lun­gen sollen einfach über­nom­men werden.
Wenn das alles in trocke­nen Tüchern ist, folgt das Trade in Services Agree­ment (TiSA), das in Geheim­ver­hand­lun­gen seit 2012 zwischen den USA und 50 Staa­ten (einschließ­lich der EU) vorbe­rei­tet wird. Es soll Dienst­leis­tun­gen wie das Gesund­heits­we­sen, die Alters­ver­sor­gung, den Verkehr, Tech­ni­sche Über­wa­chung, Wirt­schafts­prü­fung, juris­ti­sche Dienst­leis­tun­gen, Finan­zen, Bildung und elek­tro­ni­sche Trans­ak­tio­nen priva­ti­sie­ren und libe­ra­li­sie­ren. Die Verhand­lungs­pa­pie­re sollen frühes­tens fünf Jahre nach Abschluss des Vertrags veröf­fent­licht werden. Die Geheim­hal­tung endet fünf Jahre nach Inkraft­tre­ten oder – falls das Abkom­men nicht in Kraft treten sollte – fünf Jahre nach dem Ende der Verhandlungen.
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Der Unfreihandel
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Alle vier Abkom­men werden als „Frei­han­dels­ab­kom­men“ bezeich­net. Der Begriff ist geschickt gewählt. Wer etwas gegen Frei­han­del hat und Zölle wieder einfüh­ren möchte, ist ein Protek­tio­nist, der uns in die vorin­dus­tri­el­le Zeit zurück kata­pul­tie­ren will. Dabei gibt es zwischen Nord­ame­ri­ka und Europa bereits so gut wie keine Zölle mehr. Die Abkom­men bestä­ti­gen, dass das so bleibt. Damit etwas so bleibt wie es ist, brau­chen Exper­ten aber nicht jahre­lang Geheim­ver­hand­lun­gen führen.
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Es geht um etwas ganz Ande­res: Für den Frei­han­del gibt es die in Genf ansäs­si­ge zentra­le UNO-Orga­ni­sa­ti­on für Handels- und Wirt­schafts­be­zie­hun­gen, die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on WTO (World Trade Orga­ni­sa­ti­on). Die WTO und ihre Vorgän­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen haben schon viele Frei­han­dels­kon­fe­ren­zen orga­ni­siert, um die Segnun­gen eines wirk­lich freien Handels auf der Welt zu verbrei­ten. Die aktu­ell neunte dieser Runden – die so genann­te Doha-Runde – begann 2001. Die Verhand­lun­gen kommen kaum vom Fleck, weil die Indus­trie­län­der sie blockie­ren. Die WTO wird inzwi­schen von Schwel­len­län­dern domi­niert, die das Diktat des Westens nicht mehr akzeptieren… 

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