Bil­dung geht auch anders – Hol­ger Kreft

Trans­for­ma­tio­nen prägen den Lern­ort Wuppertal
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1. Acht­sam­keit als Zukunftstrend?
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Acht­sam­keit ist einer der neuen Mega­trends der Zukunft, behaup­tet der Zukunfts- und Trend­for­scher Matthi­as Horx (2016). Wie aber kommt Acht­sam­keit tatsäch­lich in den Alltag vieler Menschen? Wahr­schein­lich nicht allein dadurch, dass Einzel­ne immer wieder mal in ihrem Tun inne­hal­ten, wenn auch diese Praxis sicher eine von mehre­ren notwen­di­gen Bedin­gun­gen sein dürfte. Gibt es acht­sa­mes Wirt­schaf­ten und wenn ja, wie sieht das aus? Wie lässt sich viel­leicht sogar ein acht­sa­mes Projekt­ma­nage­ment darstel­len? Sche­ren­schnitt­ar­tig versu­che ich im Folgen­den einige Gedan­ken in Zusam­men­hang zu brin­gen, die ich für den Lern­ort Wupper­tal als grund­le­gend betrachte.
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Für Marcel Hune­cke (2013) zählt die Acht­sam­keit neben Selbst­ak­zep­tanz, Genuss­fä­hig­keit, Selbst­wirk­sam­keit, Soli­da­ri­tät und Sinn­kon­struk­ti­on zu den sechs psychi­schen Ressour­cen, die nach­hal­ti­ge Lebens­sti­le fördern. Acht­sam sein bedeu­tet für ihn (nach Shapi­ro und Carlson 2011), absichts­voll und nicht wertend die Aufmerk­sam­keit ganz auf den aktu­el­len Augen­blick zu rich­ten. In diesem Verständ­nis beschreibt die Acht­sam­keit sowohl einen Prozess (die Praxis der Acht­sam­keit) als auch ein Ergeb­nis (das acht­sa­me Gewahr­sein). Es bedeu­tet den „Auto­pi­lo­ten­mo­dus“ des Alltags­be­wusst­seins so weit wie möglich einzu­he­gen. Die Acht­sam­keit begrenzt das Stre­ben nach immer mehr mate­ri­el­lem Besitz und öffnet den Blick für andere, nicht selbst­be­zo­ge­ne Werte. Weiter­hin sensi­bi­li­siert die Acht­sam­keit für Sinn­fra­gen und berei­tet damit die Akti­vie­rung der Sinn­ge­bung vor. In diesem Verständ­nis wird auch deut­lich, warum die Acht­sam­keit eine ziel­bil­den­de Ressour­ce für eine Post­wachs­tums­ge­sell­schaft ist (Hune­cke 2013: 28–32).
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Zu den Grund­ideen der Acht­sam­keit gehö­ren mit den umgangs­sprach­li­che­ren Worten Brigit­te Vorder­may­ers (2016) u. a.: Im Hier und Jetzt leben. Bewusst tun, was man tut. Weni­ger Wett­be­werb, kein Multi­tas­king. Entspan­nung fängt im Kopf an. Gedan­ken­ka­rus­sell anhal­ten. Selbst­ak­zep­tanz statt Selbst­op­ti­mie­rung. Jedoch zeigt sich leider auch: „Um all das zu lernen, lässt sich viel Geld ausge­ben. Eine ganze Indus­trie hat die Entschleu­ni­gung für sich entdeckt und bietet von der Klos­ter­aus­zeit über Yoga­kur­se für alle Lebens­la­gen bis zum Unter­neh­mens­be­ra­ter, der eine Firma acht­sam macht, alle denk­ba­ren Ange­bo­te, um zur Ruhe zu kommen“ (Vorder­may­er 2016). Das macht wieder einmal deut­lich, dass „der Kapi­ta­lis­mus ein intel­li­gen­tes Biest ist“ (Loske 2014). Die Gefahr besteht sogar, dass diese sinn­vol­le Idee der Acht­sam­keit von der Wirt­schafts­ma­schi­ne­rie so verein­nahmt wird, dass auch sie nur wieder das Wachs­tums­an­lie­gen befeu­ert. Ein Ausstieg aus dem immer höher, immer schnel­ler, immer weiter erscheint auf dem Pfad der bestehen­den Logik des Systems illusorisch.
Zugleich hat jedoch eine größe­re Zahl von Menschen das Gefühl, dass wir in einer Zeit geis­ti­ger Unruhe und Gärung leben. Ist das nur eine viel­fa­che persön­li­che Wahr­neh­mung oder sind die tatsäch­li­chen Verhält­nis­se so? „Die fünf­hun­dert­jäh­ri­ge Expan­si­on der Megama­schi­ne stößt im 21. Jahr­hun­dert an kaum über­wind­ba­re Gren­zen“ (Scheid­ler 2016: 16). Sehr wahr­schein­lich ist also eine große Trans­for­ma­ti­on im Gange, die tiefer greift als der bishe­ri­ge „norma­le“ perma­nen­te Struk­tur­wan­del der Nach­kriegs­jahr­zehn­te: Der alte Unter­grund trägt nicht mehr so rich­tig, und das neue Gelän­de ist noch nicht klar erkennbar… 

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