12 Stunden Goldener Schlaf – Claudia Pflug

Lieber Herr Bange­mann, wir hatten Ende letz­ten Jahres mitein­an­der tele­fo­niert, da ich Ihnen meine neue Anschrift mitge­teilt hatte. Außer­dem war mein klei­nes Baby unter­wegs. Teresa Marie Mild­red ist inzwi­schen schon über drei Monate alt. Im Hinblick auf die Ziele Ihrer Zeit­schrift – die Kritik des Kapi­ta­lis­mus, oder besser, die Über­win­dung desselben
hin zu einer „Huma­nen Wirt­schafts­ord­nung“ möchte ich Sie auf eine Thema­tik aufmerk­sam machen, die sich wie die Faust aufs Auge in die Arti­kel einfügt. Durch meine Schwan­ger­schaft sah ich mich unter ande­rem mit dem Thema Windeln konfron­tiert. Ich beab­sich­tig­te eigent­lich, mit Stoff zu wickeln. Im Zuge meiner Recher­chen im Inter­net stieß ich jedoch auf Hinwei­se, dass es auch ohne Windeln geht. So gibt es zum Beispiel ein Buch von Rita Mess­mer „Ihr Baby kann’s“ oder von Ingrid Bauer „Es geht auch ohne Windeln.“ Gleich als ich nach dem drit­ten Tag aus der Klinik zurück
kam und ich das Baby ausge­packt hatte, habe ich es über der Bade­wan­ne abge­hal­ten und siehe da, es hat sein Geschäft
außer­halb der Windel verrich­tet. Nun – worauf ich hinaus will: In ande­ren Ländern ist es ganz normal, die Babys nicht zu wickeln, sondern auf seine Ausschei­dungs­be­dürf­nis­se zu achten und es nicht in seinen Ausschei­dun­gen liegen zu lassen. Dummer­wei­se kann man mit dieser Einstel­lung kein Geld verdie­nen. Die Firma Pampers von Proc­ter & Gamble
steckt Unmen­gen Geld in Forschung und Werbung

[http://www.spiegel.de/spiegel/a‑710878.html, http://papa-online.com/so-entsteht-eine-pampers-ein-blickhinter-
die-kulis­sen-des-windel­gi­gan­ten/, http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/pampers-in-schwalbach-auf-dersuche-
nach-der-besten-windel-aller-zeiten-12563184.html]

und sugge­riert, dass das Baby viel besser durch­schla­fen kann, weil es wegen der tollen saug­fä­hi­gen Windel ja so schön trocken bleibt und keine Nässe spürt. Eigen­ar­tig, dass mein Baby regel­mä­ßig mehr als 8 Stun­den durch­schläft, trocken bleibt und sich erst löst, wenn ich es abhal­te. Das muss dann aller­dings ziem­lich flott gleich nach dem Munter­wer­den passie­ren. Im Übri­gen wird durch ein Hormon gesteu­ert, dass nachts der Urin zurück­ge­hal­ten wird. Also eine glatte Lüge der Indus­trie. Rita Mess­mer schreibt in ihrem Buch: „Man wird es wohl eher fertig brin­gen, den Menschen, die heute noch
keine Windeln kennen, unsere Windel­kul­tur zu brin­gen, als von ihnen zu lernen, wie es ohne Windeln geht.

„Den Konzer­nen geht es nicht um die Hygie­ne und Gesund­heit der Kinder, sondern nur ums Geschäft.“ Gigan­tisch – in voll­kom­me­ner Verblen­dung Weite­re Aspek­te sind natür­lich auch die der Umwelt, der Kosten und des Abfalls. Laut Rita Mess­mer fallen in Deutsch­land jähr­lich etwa 340.000 Tonnen Windel­müll an. Es braucht unge­fähr 300 Jahre, bis eine moder­ne Windel verrot­tet ist. Und ein Baby produ­ziert zwischen 1 bis 2,5 Tonnen Windel­müll. Auch der Herstel­lungs­pro­zess belas­tet die Umwelt enorm. Ich habe ein wenig das Gefühl, dass die Ausma­ße so gigan­tisch und die
Verblen­dung so voll­kom­men ist – wie zum Beispiel beim Zinses­zins – dass die Ange­le­gen­heit gar nicht als problematisch
wahr­ge­nom­men wird. Im Übri­gen habe ich in meinem direk­ten Bekann­ten­kreis noch nieman­den getrof­fen, der die Windel­frei­heit bzw. einen redu­zier­ten Windel­ver­brauch prak­ti­ziert. Immer­hin habe ich bei den Damen aus meinem Geburts­vor­be­rei­tungs­kurs Werbung damit gemacht. Aber es traut sich eben doch keine so rich­tig ran. Auch hier scheint die Macht der Werbung enorme Wirkung entfal­tet zu haben. Keiner (fast keiner) macht sich Gedan­ken darüber, dass sich Babys, so klein sie auch sein mögen, ihrer Ausschei­dun­gen bewusst sind. Es würde auch keiner in Frage stel­len, dass ein Baby weiß, wann es Hunger hat. Natür­lich muss ich sehr eng am Baby dran sein, um seine Signa­le zu verste­hen und wahr zu nehmen. Manch­mal kann es aber auch sehr deut­lich meckern, wenn es muss. Wenn ich dann nicht reagie­re, ist es meine Sache. Auf seinen Instinkt zu vertrau­en, wird heute leider nicht mehr vermit­telt. Aber ihn wieder­zu­er­we­cken, ist der
Mühe wert. Und das Tolle an der Sache ist, wenn man einmal damit ange­fan­gen hat, kann man nicht mehr zurück. Und Spaß macht das Abhal­ten auch. Selbst wenn eine Freun­din von mir sagte, es sei wohl eher die Verwir­rung durch die Hormone,
als dass so etwas Freude berei­ten könne.


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